Ich zähle mal stichwortartig auf, was mir persönlich wichtig ist (bitte wegen der "*Absätze" nicht böse sein, aber es ist schon spät ...

)
* Ich halte nichts davon, Pferde 3 Jahre lang in "artgerechter Aufzucht" verwildern zu lassen. Von solchen Exemplaren habe ich mehr als genug gesehen, und man hat doppelte Arbeit damit, und eventuell ein paar kaputte Zehen oder Knochen oder verbrannte Hände, Schürf- und Bisswunden, etc. Und manchmal kann man sich bei solchen Pferden oft nur noch mit weniger netten Methoden Respekt und Zuhören verschaffen. Natürlich kann es gut gehen, und ich freue mich für jeden, der damit positive Erfahrungen macht. Ich kenne leider viel zu viele Fälle, die so abliefen wie oben beschrieben. Bei Profis oder sehr erfahrenden Pferdeleuten, die ihre eigene Zucht unterhalten haben.
* Ich halte viel mehr davon, ein Jungpferd einfach früh daran zu gewöhnen, dass es täglich zur Koppel und zurück geführt wird (und dass es sich dabei manierlich zu benehmen hat), dass die Hufe ausgekratzt werden und dass es angebunden stehen kann. Und dass es einfach über den normalen Umgang Respekt und gutes Benehmen lernt. Ich finde, dafür brauche ich kein extra Führtraining.
* Ich halte nichts von Herden in einer Altersstufe. Altersgemischte Herden finde ich erheblich besser - sofern man einige resolute Alphatiere dabei hat. Was da an Erziehung läuft, ist unbezahlbar und prägt.
* Ein Jungpferd soll ein Jungpferd bleiben. Das heißt, Arbeit fängt wirklich dann an, wenn ich das Pferd darauf vorbereite, geritten zu werden. Ich persönlich bin kein großer Bodenarbeiter oder Clickerer. Ich bin auch kein begeisterter Longierer. Ich arbeite am liebsten im Sattel. Wenn ich ein Jungpferd longiere, dann dient es der Vorbereitung auf das Reiten. Man kann darüber eine andere Meinung haben, die ich natürlich voll respektiere. Aber hier geht es um Erfahrungsaustausch, das ist mein Weg, und er funktioniert bestens für mich. Und hier bitte ich die leidenschaftlichen Bodenarbeiter darum, meine Erfahrungen genau so zu respektieren, wie ich die Eure respektiere.
* Ein Jungpferd, vor allem ein 2jähriger, soll vor allem eins sein: Kind. Alles, was über den normalen Umgang, z. B. führen, putzen usw. hinaus geht, ist für mich No-Go. Auch lange, ausgedehnte Spaziergänge oder Ritte, in denen die jungen Pferde als Handpferd mitgehen. Alles unnötig, wenn genügend Bewegungsanreize da sind. (Aus diesem Grund sollte man sich wirklich gut überlegen, in welchen Stall man ein Jungpferd, das noch nicht geritten werden kann, stellt). Ich halte sogar die Belastungsspitzen, die durch einen ununterbrochenen 1 1/2-stündigen Spaziergang entstehen, vor allem, wenn das Pferd sonst nur einen kleinen Paddockauslauf hat, für zu hoch für das Alter. OK, natürlich kann es rassebedingte Unterschiede geben, das räume ich ein. Ich würde es trotzdem nicht tun.
* Chips entstehen keineswegs ausschließlich durch schlechte Haltung. Es ist erwiesen, dass sie u. a. vererblich sind und durchaus auch durch sehr stark ausfallende Wachstumsschübe entstehen können. Natürlich kann schlechte Haltung eine Rolle spielen, sie ist aber nur ein Grund von vielen Möglichkeiten für die Entstehung von Chips.
* Irgendwo habe ich mal gelesen, dass sich Jungpferde nur sehr kurze Zeiten am Stück konzentrieren können - viel kürzer, als die meisten Menschen annehmen. Die Konzentrationsfähigkeit wächst mit der Entwicklung. Aber so 3jährig würde ich persönlich aus meiner Erfahrung auf 10-15 Minuten Konzentration beim Longieren/Reiten tippen. Natürlich gibt es Ruhephasen, aber länger als 10 Minuten Schritt und 20 Minuten longieren oder reiten (bzw. 10 Minuten ablongieren und 10 Minuten reiten) würde ich persönlich bei einem 3jährigen nicht arbeiten. Wenn er 4 wird, kann man das dann langsam steigern. Eigentlich bin ich dafür, nicht vor 4 anzufangen, aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Wenn man entsprechend vorsichtig ist und wirklich sehr dosiert arbeitet, kann nichts schlimmes passieren. Das, was schadet, ist immer etwas, was zu viel, zu schnell, zu langsam, zu inkonsequent und zu einseitig passiert. Mit dem Springen bitte frühestens mit 5 beginnen, das jedenfalls ist meine Meinung.
* Ich lege sehr viel Wert darauf, Jungpferde durchzuchecken (falls nicht schon per Ankaufsuntersuchung geschehen), bevor ich anfange, das Pferd durch Arbeit zu belasten. Außerdem lasse ich die Zähne machen, bevor ich das erste Mal ein Gebiss ins Maul schiebe (Wolfszähne usw.) und lasse das Pferd vom Osteo checken. Der Beginn der Arbeitsphase soll angenehm für das Pferd verlaufen, und das kann nur passieren, wenn gesundheitlich alles ok ist. Ich gehe davon aus, dass fast alle hier es genau so machen wie ich, nur bisher hat es keiner erwähnt, deshalb schreibe ich es der Vollständigkeit halber.
* Bitte niemals die Psyche des Pferdes unterschätzen! Ein Pferd, das zweijährig 2 Stallwechsel und einen Besitzerwechsel innerhalb von 3/4 Jahr hatte, vielleicht noch gelegt wurde oder möglicherweise einen Klinikaufenthalt hatte (davon kann ich ein Lied singen), ist nicht so belastbar wie ein Pferd, das sich seit Jahren in "seinem Stall" und mit "seinen Menschen" auskennt und das eine "unbeschwerte Kindheit" hatte. Pferde sind Gewohnheitstiere, Jungspunde wirken oft so rubust, sind aber so oft so sensibel, und sie benötigen Zeit und Ruhe nach Veränderungen. Sie benötigen sehr viel Zeit, um sich an die neue Umgebung und die neuen Pferdekumpel zu gewöhnen. Ach ja, und mein heißgeliebter Tipp darf hier nicht fehlen: Bachblüten!
* Es ist schon Fakt, dass die meisten Jungpferde heutzutage fett gefüttert sind. Ob Sigi das ist, wage ich anhand des Fotos nicht zu beurteilen. Dazu wäre meiner Meinung nach eine Seitenansicht erforderlich.
Modern gezogene Warmblüter wirken oft schon sehr "fertig", vor allem, wenn sie groß sind, das täuscht arg, und man sollte sich dieser Tatsache immer bewusst sein, damit man sie nicht zu früh überfordert.
* Rocki hat seinerzeit mit meinen beiden anderen Reitpferden in der Herde zusammengestanden. Offenbar haben die zwei ihm Positives über mich erzählt

, jedenfalls konnte er vom Paddock aus den Reitplatz sehen, und er hat immer sehr interessiert beobachtet, was ich da so mit seinen "Onkels" gemacht habe. Ich denke, auch das kann einen sehr positiven Effekt haben, er jedenfalls war richtig stolz und arbeitseifrig, als ich angefangen habe, mit ihm ein wenig zu arbeiten.
* Egal was irgendwelche Schlaumeier behaupten: Pferde wachsen bis zum 7./8. Lebensjahr. Manche sehr deutlich, manche kaum noch merklich. Ein Pferd im Wachstum gehört nach meiner Meinung nicht auf's Laufband.
@Josa: Ich denke auch, wir reden hier nicht darüber, ob Du die richtige oder falsche Entscheidung für Dich und Sigi fällst, und ich bin sicher, Du machst das Richtige, und Du wirst Erfolg damit haben.
Ich weiß jetzt nicht, ob Dir meine Anmerkungen jetzt wirklich weiterhelfen, aber ich habe einfach das aufgeschrieben, was mir persönlich wichtig ist, auch wenn das manchen hier gewiss zu einseitig erscheinen mag.
So, jetzt ist es wirklich spät, und ich gehe jetzt ins Bett.
