Fütterung von frischem Heu - das Urteil des OLG Karlruhe

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-Tanja-
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Fütterung von frischem Heu - das Urteil des OLG Karlruhe

Beitrag von -Tanja- »

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat im Januar diesen Jahres den Besucher eines Pferdestalles zu Schadenersatz verurteilt. Dieser wollte seine Schwester, die auf dem Hof ein Pferd eingestellt hatte, abholen. Auf dem Hof war ein Laster mit frischen Heuballen geparkt, ein Ballen war heruntergefallen und hatte sich aufgelöst. Der Besucher nahm das frische Heu und verfütterte es an drei Pferde, obwohl er keinerlei Kenntnisse über Pferde hatte und auch überall durch Schilder gebeten wurde, die Pferde nicht zu füttern. Alle drei Pferde bekamen schwere Koliken, eine trächtige Stute mußte eingeschläfert werden.

Das Gericht kam zu der - lobenswerten :wink: - Erkenntnis, daß ein Mensch, der eben keinerlei Kenntnisse von Pferdehaltung hat, fahrlässig handelt, wenn er trotzdem den Tieren Heu füttert. Er hätte dies nämlich auch unterlassen können. M. E. ist damit klar, daß dieses Urteil auch auf anderweitige Fütterung, z. B. von Grasbüscheln, Brot, Äpfeln, etc. anwendbar ist.

Soweit, so gut.

Ich habe mir das Urteil ein paarmal ausgedruckt und an unserem Stall für unsere Stallbesucher zum Mitnehmen ausgehängt. Bin mal gespannt, ob die ausgelegten Exemplare tatsächlich auch mitgenommen werden.

Evtl. kann mich aber noch jemand weiters aufklären, daher die Frage auch unter der Rubrik "Gesundheit":

Was passiert im Pferdedarm eigentlich bei der Fütterung von frischem Heu genau? Wieso besteht da eigentlich genau Kolikgefahr?

Wir mähen mit dem Balkenmäher für unsere beiden ja auch Gras. Unter Umständen bleibt das aber auch mal 2-3 Tage liegen, wenn auch im Schatten (ich prüfe immer, ob es nicht warm geworden ist - gerade bei den Sommertemperaturen). Wäre aber auch das schon bedenklich? Nur weil es drei Tage liegt?
lg, Tanja

Reiten ist nicht weiter schwierig, solange man nichts davon versteht.
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Picaro
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Beitrag von Picaro »

Also das Urteil ist ja echt mal zu begrüßen und im Sinne der Tiere.

Ansonsten ist die Verfütterung von frischem Heu so gefählich,da sich in dem eng gepressten frischen Heuballen immer auch eine gewisse Restfeuchte befindet.Die außen am Heu haftenden Pilze und Bakterien finden nun ein feuchtes anaeobes Milieu im Ballen vor und fangen an sich stark zu vermehren.Sie verbrauchen dazu einen Teil des Zuckers/Fruktans
im Heu und dadurch produzieren sie Wärme,weshalb Heu ja nach dem Pressen auch warm wird und schwitzt.
In kleinen HD-Ballen wird es nicht so warm und die Bakterien und Pilze finden nicht ganz so gute Lebensbedingungen.Die Ballen trocken schneller nach.In den heute so beliebten Rundballen sieht es im Inneren schon ganz anders aus.Da bleibt es relativ lange feucht und warm und Luft kommt auch sehr schlecht dran.
Je mehr Pilze und Bakterien umso wärmer wird es und umso mehr Toxine werden gebildet.
Nach einer gewissen Zeit trocknen die Ballen bei optimaler Lagerung und Werbung aber ab und die Temperatur im Ballen nimmt ab.Das ist der Zeitpunkt,an dem die Pilze und Bakterien absterben,da sie keine optimalen Bedingungen mehr vorfinden.
Die Belastung nimmt also wieder ab.

Wird nun frisches Heu verfüttert,habe ich ja eine sehr hohe Besiedelung mit den Bakterien und Pilzen.Diese geben Toxine ab,die zu Vergiftung und Fehlgärungen im Pferdedarm führen.

Bei frischem Gras ist da auch schon nach 3 Tagen ein gewisses Risiko,wenn es platt liegt.Da können sich auch anaerobe Stellen bilden,die den giftigen Bakterien und Pilzen gute Lebensbedingungen bieten.
Besser wäre es nur die Menge an frischem Gras zu mähen,die pro Mahlzeit verfüttert wird,bzw das maximal 1 Tag liegen bleibt.
Mit geringen Mengen der Pilze und Bakterien wird der Pferdedarm schon fertig,aber wenn eben große Mengen davon ins Pferd kommen sieht es schon anders aus.

Ist ein bischen schwierig zu beschreiben.Ich hoffe es ist verständlich rübergekommen. :wink:

LG Betina
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-Tanja-
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Beitrag von -Tanja- »

Hallo Picaro,

Danke für Deine Erklärungen! Ich wußte zwar, daß es wohl plötzlich zu Vermehrung von Pilzen kommen kann, der Rest war mir nicht so geläufig.

Ich habe heute morgen dazu auch eine Email von Herrn Nußbaum von der Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt in Aulendorf erhalten:
Sehr geehrte Frau Ammon,
Ihre Anfrage bezüglich Heu ist bei mir gelandet.
Frisch eingelagertes Heu durchläuft, falls noch Restfeuchtigkeit vorhanden ist, eine sogenannte "Heugärung". Dabei erwärmt sich das Heu durch Restatmung der Zellen und mikrobielle Prozesse und schwitzt das Restwasser aus. Bei diesem Prozess werden leicht verfügbare Kohlenhydrate abgebaut und bei stärkerer Erwärmung (über 40 °C) die Eiweissqualität vermindert. Diese Vorgänge klingen ab, sobald der Feuchteausgleich im Heustock bzw. im Ballen beendet ist. Wenn zu feucht eingelagert wird, kann dieser Prozess zu einer Überhitzung (wenn Wärme und Wasser nicht abgeleitet werden) mit der Gefahr der Selbstentzündung führen.
Sofern frisches Heu in der Phase des Schwitzens verfüttert wird, sind Pferde auf Grund der Gärung anfällig für Koliken. Deshalb wird davon abgeraten, frisch eingelagertes Heu zu verfüttern. Wenn das Heu absolut trocken ist und nicht mehr schwitzt, könnte auch frisches Heu verfüttert werden. Besser ist es aber auf jeden Fall, wenn man ca. 6-8 Wochen nach der Einlagerung warten kann.
Wenn Sie nun Gras mit dem Balkenmäher mähen und dieses Erntegut auf dem Boden breit gestreut liegen bleibt, dann trocknet dieses Futter zwar, aber es kommt keine Gärung bzw. keine mikrobielle Erwärmung hinzu, weil weder Luftabschluss noch ein Hitze- bzw. Wasserstau entstehen. Deshalb ist Ihre Beobachtung richtig, dass Pferde angewelktes Futter, das nicht komplett trocken ist, durchaus ohne Probleme fressen können. Ich würde trotzdem raten, dass Ihre Pferde nicht zu viel von derartigem Futter fressen dürfen.
Mit freundlichen Grüßen
H. Nußbaum
__________________________________________________
Dr. Hansjörg Nußbaum
Bildungs- und Wissenszentrum Aulendorf
für Viehhaltung, Grünlandwirtschaft, Wild
und Fischerei (LVVG)
Am Atzenberger Weg 99
D - 88326 Aulendorf
Tel.: 0049 (0) 7525 / 942-352
Fax: 0049 (0) 7525 / 942-370
Dementsprechend muß ich meinem Mann also nochmals einschärfen, nicht immer für 2 Tage im voraus zu mähen sondern eben immer nur für maximal den nächsten Tag.
lg, Tanja

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Rinchen
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Beitrag von Rinchen »

Sylliska: ich hatte mir das Urteil auch einlaminiert und an unseren Paddock genagelt, an dem gerne Spaziergänger mit ihren Kindern vorbeikommen zur Abschreckung !! :twisted:
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-Tanja-
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Beitrag von -Tanja- »

*freu* Hab gestern erstmals nachgezählt: ein Exemplar ist schon mal mitgenommen worden. *gg*
lg, Tanja

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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Hast du das auch als Pdf??? Würdest du es mir Mailen???

Danke!
Es grüßt Nadine

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Rinchen
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Beitrag von Rinchen »

Kosmonova: klar, wohin ?
nanuk
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Beitrag von nanuk »

Hallo,

speziell dieses Jahr gibt es noch einen Grund mehr weshalb das Heu DRINGEND mindestens sechs Wochen liegen sollte.

Durch das nasse Frühjahr ist dieses Jahr auf vielen Wiesen der scharfe Hahnenfuß explosionsartig gewachsen.
Dieser Hahnenfuß enthält das scharf schmeckende Gift Protoanemonin. Dieses Gift ist erst nach ca. 6 Wochen Trocknungszeit aus den Pflanzen verschwunden. Bis dahin bleibt es giftig und kann von harmlosem Unwohlsein bis Magenschmerzen und Krämpfen durchaus auch zum Tode führen.

Liebe Grüße
nanuk
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