Schwebephase

Rund um die klassische Reitkunst

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Motte
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Schwebephase

Beitrag von Motte »

Da im Augenschmaus-Ritte-Thread eine Diskussion zu diesem Thema entstanden ist, habe ich hier nochmal die wichtigsten Beiträge zusammengefasst:
horsmän hat geschrieben:also Leute:
Physik sollte auch Physik bleiben!
Und wenn man von einer Schwebephase redet, also eine kurze Phase in der Trabbewegung, wo keiner der 4 Hufe den Boden berührt, dann sollte man diese auch finden können. Ist dem nicht so, sollte man diese Phase nicht Schwebephase nennen, sondern eine exaktere Bezeichnung dafür finden. Ansonsten passiert es nämlich, dass alle Welt nach etwas sucht, was es nicht gibt. Und das arme Pferd muss dann für diesen physiklalischen Unfug herhalten. Zb, das man Schwung oder schwingende Rücken mit "Schwebephase" in Verbindung bringt.

Übrigens seh ich auch in der Passage keine Phase, wo alle 4 Hufe den Boden verlassen haben.

Dass es durchaus Trabbewegungen gibt, die geschmeidiger, lautloser, fließender oder auch dynamischer sind als andere Trabbewegungen, stelle ich gar nicht in Frage.


Noch eine Anmerkung zum Galopp mit 4 Takten, weil da jemand den historischen Bezug genannt hat:

es gibt zwei Varianten vom 4-taktigen Galopp, sozuagen eine "schlechte" und eine "gute". Die schlechte will man nicht, und die gute wurde früher bewußt früher praktiziert (Schulgalopp). In der schlechten Variante fusst bei der Diagonalphase zuerst der Vorderfuss auf und dann der Hinterfuss (Pferd ist Vorhandlastig). Bei der "guten" Variante fußt bei der Diagonalen zuerst das Hinterbein und dann das Vorderbein. Wenn man den Galopp sehr stark (und richtig)versammelt, dann kommt es beinahe zwangsläufig dazu. Siehe auch in Pirouetten. Pirouetten im drei-taktige Galopp gibt es fast gar nicht und fände ich auch eher schlecht.
Max1404 hat geschrieben:Natürlich hat jeder Trab eine Schwebephase. Oder sollte es zumindest haben. Das auch bei Pferden mit eher laufenden und wenig kadenzierten Bewegungen. Dazu gibt es zahlreiche Fotobeweise - man muss nur mal googlen ... :wink:
Anchy hat geschrieben:Hörsemen, jetzt irritierst Du mich etwas. Etwas Trabähnliches ohne Schwebephase zeigen mitunter Pasos oder ander Fünfgänger, den Trabtölt. Hier dissoziiert sich die Diagonale, so dass die Schwebephase wegfällt.
Aber ein Trab hat eine kurze Schwebephase, nach jedem Abfußen des diagonalen Beinpaares.
Kannst Du mal näher erläutern, was Du hier meinst?

Liebe Grüße
Rapunzel hat geschrieben:Mich irritert der Horsmän nicht zum ersten Mal, aber diesmal am gründlichsten. Keine Schwebephase?! Und was ist das dann hier?
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horsmän hat geschrieben:Holla, die gehen aber ab die drei schönen Pferde da oben. Nur: versammlter Trab oder Arbeitstrab ist das nicht.

Ich schrieb ja auch: in der dynamischen Trabverstärkung gibt es die Schwebephase - logo. Hab ich niemals bestritten.

Solche Bilder (übrigens schöne Fotos) sind auf jeder zweiten ReiterRevue. Ich spreche vom versammelten Trab. Und auch die Passage zB von Ahlerich im LA-Video hab ich mir daraufhin mal angeschaut und keine echte Schwebephase gefunden. Beizeiten schau ich mir mal das Totilas-Video daraufhin an.

Sollte ich mich irren, kein Problem - was ich sehe glaube ich.
Rapunzel hat geschrieben:Genau, die sind künstlich hochgeschraubt, die Pferde ;-)

Also Horsmän, da ich zufällig anwesend war, als die Fotos gemacht wurden (ich hab sie nämlich selbst geschossen), kann ich dir sagen, dass das alles ungerittene Jungpferde sind, die recht locker-flockig über den Platz trabten. Das ist keine heißgemachte Trabverstärkung oder ne überkandidelte Aufregungspassage, allerdings eine seit vielen Jahren auf besonders gute, schwungvolle Gänge selektierte Zucht. Hab hier noch ein Bild von meinem Hengstlein als jungfräulichem Dreijährigen, die Haltung und das Gangmaß entspricht exakt meiner Vorstellung von versammeltem Trab, trotzdem mit eindeutiger Schwebephase. Ich kann gern beim nächsten Unterricht mal versuchen, die Schwebephase in der Passage knipsen zu lassen, da ist stellenweise ein halber Meter Luft unter den Hufen.
Gawan hat geschrieben:Hab's schon einmal in einem anderen Fred http://www.klassikreiten.de/viewtopic.p ... n&start=30
gebracht:

Die Zahlen für den Trab aus dem Buch von Nicholson "Biomechanical Riding" (nach Messungen von H.M. Clayton):

Geschwindigkeit in Metern pro Sekunde, Frequenz in Schritten pro Minute, Schwebephase in Millisekunden.

_____________|__versammelt__|__mittel___|___stark___|__Passage__|__Piaffe___|
Geschwindigkeit_|___3.2-3.3____|___4.47___|___4.93___|____1.6____|___0.2___|
Frequenz______|_____77______|____82___|____83____|____55____|___55____|
Schwebephase__|_____16______|____32___|____37____|_____8____|____0____|

Die Frequenz im Schritt beträgt zwischen 51 und 56 Schritte pro Minute.

Die längste Schwebephase im Trab haben logischerweise Traber im Rennen.

Tanja Xezal
Ich hätte dann hier nochmal ne Schwebephase im Arbeitstrab:

http://www.youtube.com/watch?v=NNGvjyzjO3s

und hier noch eins:

http://www.youtube.com/watch?v=CCyR34GIaoU

Sogar in SlowMo

edit by Admin: Motte, ich hab Deinen Beitrag zur Zusammenführung missbraucht ;), bitte nicht wundern.
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Danke Motte, für Deinen Beitrag.
Ansonsten hätte ich nämlich hier nochmal zitiert:
horsmän hat geschrieben:zeig mir ein Pferd, welches im vers. Trab eine Schwebephase hat. M.E. gbt es diese sagenumwobene Schwebephase nämlich gar nicht, außer bei sehr dynamischen Pferden in der Trabverstärkung oder im Galopp natürlich.
Die eingestellten Bilder waren nämlich alle aus Verstärkungen heraus entstanden und haben mit Versammlung oder Arbeitstempo wenig zu tun.
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LordFado

Beitrag von LordFado »

Gawans Beitrag zeigt ja aber (wieder), dass es die Schwebephase auch im versammelten Trab gibt. Nur eben nicht auf dem Video von MS ;-)
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Janina
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Beitrag von Janina »

Hallo ihr Lieben!
Richtig, Gawans Beitrag zeigt, dass es eine Schwebephase gibt. Er zeigt aber auch: Je höher die Versammlung, desto geringer (kürzer) die Schwebephase, bis sie schließlich in höchster Versammlung, in der Piaffe, bei 0 ms anlangt. Daraus müsste man also "eigentlich" schließen, dass eine besonders deutliche Schwebephase im versammelten Trab eher einen Mangel an Versammlung zeigt, also eher negativ auszulegen ist...
Und bei weiterer Überlegung ist das auch logisch: Die Bewegung wird mit zunehmender Versammlung nicht mehr durch das Abstoßen nach vorne oben betont, sondern durch das Abfedern nach unten (->Hankenbeugung).
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Beitrag von Jessie77 »

Jetzt muss ich dazu auch was Schreiben, m.E. muss es in der best-gesetzten Piaffe eine Schwebephase geben, ansonsten würde das nicht "schwingen" können und kurzfristig mit allen 4 Füßen am Boden sein, bevor das andere diagonale Beinpaar hebt....
@Janina Gerade eine gut gesetzte Piaffe sollte durch die Hankenbeugung den Schwung nach vorne oben haben bzw. bekommen, und nicht nach unten!
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Janina
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Beitrag von Janina »

Die Bewegung vermehrt nach oben beschreibt eher die "Beinamplitude".
Eine "perfekte" Piaffe hat aber gar keine Bewegung mehr nach vorne (vgl. Überleitung in die Levade, die aus der Piaffe entwickelt werden soll, die ist aus einer Piaffe mit Vorwärtstendenz schlicht nicht möglich)
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Beitrag von Jessie77 »

http://www.youtube.com/watch?v=zv-IydpCLm8

ich glaube das erklärt sich von selber!
Leider finde ich kein Video von dem besseren Levadeur der Spanischen, selbst der piaffiert immer ganz leicht vorwärts (zum Austarieren) bevor er sich setzt (und der setzt sich nun wirklich fast auf den Hintern bei der Levade :P )
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Beitrag von Lilith79 »

Jessie77 hat geschrieben:http://www.youtube.com/watch?v=zv-IydpCLm8

ich glaube das erklärt sich von selber!
Leider finde ich kein Video von dem besseren Levadeur der Spanischen, selbst der piaffiert immer ganz leicht vorwärts (zum Austarieren) bevor er sich setzt (und der setzt sich nun wirklich fast auf den Hintern bei der Levade :P )
Hmmm, also kannst Du anhand dieses Videos jetzt erkennen ob in dieser Piaffe eine Schwebephase vorhanden ist? Also ICH kann das mit bloßem Auge ehrlichgesagt nicht. Rein vom Gefühl her seh ich da eher keine.
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Beitrag von Jessie77 »

Es ging mir in dem Beispiel jetzt eher um die Vorwärtsbewegung in der Piaffe zur Levade.....
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Janina hat geschrieben:Daraus müsste man also "eigentlich" schließen, dass eine besonders deutliche Schwebephase im versammelten Trab eher einen Mangel an Versammlung zeigt, also eher negativ auszulegen ist...
Und bei weiterer Überlegung ist das auch logisch: Die Bewegung wird mit zunehmender Versammlung nicht mehr durch das Abstoßen nach vorne oben betont, sondern durch das Abfedern nach unten (->Hankenbeugung).
Deinen Gedankengang beschreibt u.a. auch Udo Bürger in der "Vollendeten Reitkunst". Eine Schwebephase in den Versammlungen ist nicht gewünscht und fehlerhaft.
Werde die entspreche Passage dazu heraussuchen und nächste Woche zitieren.
Talent bedeutet Energie und Ausdauer. Weiter nichts. (Heinrich Schliemann, Entdecker Trojas)
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Beitrag von Jessie77 »

nur zur Klarstellung, die sog. Schwebetritte sind natürlich nicht korrekt im Trab!
Nicht das wir von zwei verschiedenen Dingen sprechen :P
Das unersättliche Streben, Achtung bei anderen zu finden, ist so vergänglich wie das Leben selbst (unbekannt)
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Beitrag von horsman »

Na da gehen wir der Sache ja endlich mal etwas sachlich fundierter auf den Grund. Die von Gawan eingestellte Tabelle ist sehr interessant, wohl müßte man auch wissen, auf wie vielen Messungen diese Zahlen beruhen und ob es Durchschnittswerte sind und wie dann die Abweichungen vom Durchscnitt sich darstellten oder ob es nur ein Pferd war, welches gemessen wurd. Die Videos konnte ich noch nicht anschauen.

Die Tendenz ist aber doch klar und Bürgers Aussage belegt ja dies auch:
je höher der Versammlungsgrad umso geringer bis gar keine Schwebephase. Und 8 (Wert bei Passage ) bzw. 16 (wert vers. Trab)Millisekunden (Tausendstel!!) mag man mit dem Auge ohne Zeitlupenaufnahme (also als Richter oder Reiter in der Reithalle) sowieso nicht erkennen.

Ich sehe die Wichtigkeit dieser Thematik auch mehr darin, dass eben NICHT die falsche Vorstellung aufkommt, man müsse immer eine Schwebephase finden, den Reitenden dann dazu verleitet diese partout der Bewegung hinzu fügen zu müssen oder die Qualität der Bewegung an dieser Schwebephase fest zu machen. Auch die losgelassene Rückentätigkeit hat mit der Schwebephase nicht zwangsläufig zu tun (außer ggf. im starken Trab.)

Vielmehr möchte ich mal anregen darüber nachzudenken, dass die Qualität von Versammlung sich darin wiederspiegelt, dass sich die Phase der Beinstütze ausdehnt, weil das stützende Hinterbein mehr in die Gelenke geht/einfedert, und damit eine Idee länger am Boden bleibt. Der sich anschließende Abdruck aus dieser Gelenkbeugung erfolgt vermehrt tendenziell nach oben als nach vorne, aber muss nicht (und wird auch niemals) so hoch sein, dass das ganze Pferd sich zu einer echten Schwebephase in die Luft katapultiert. (AUßer bei den Schulsprüngen)
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
LordFado

Beitrag von LordFado »

Was wahrnehmbar ist und was nicht, lässt sich ja leicht anhand der Diskussionen zur Bildwiederholungsrate bei Filmen (Bewegung...) erkennen.
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Bei der ganzen Diskussion ging es mir persönlich auch nicht unbedingt um die Absolutheit der Schwebephase, sondern eher um die Gesamtheit des Bewegungsablaufs bei einem Pferd, das schwungvoll von hinten nach vorne tritt. Was bei dem im Augenschmaus-Video gezeigten Pferd von Marius Schneider eben nicht der Fall ist. Das zeigt sich aber nicht nur an am kompletten Fehlen einer auch nur angedeuteten Schwebephase, sondern auch am "räderartigen Rühren" der Beine, am "patschenden" Aufsetzen der Hufe vor allem im Schritt, in dem das Pferd die Hufe sehr hackig in den Boden rammt, statt weich zu schreiten, am festen Rücken und und und. Im Übrigen befindet sich das Pferd für meine Begriffe größtenteils keineswegs im versammelten Trab und auch nicht im Arbeitstrab, sondern es trabselt halt so dahin.
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Janina
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Beitrag von Janina »

@Jessie: Direkt vor der Levade piaffiert er aber auch auf der Stelle... Natürlich können das bei einem so weit ausgebildeten Pferd nur zwei Tritte sein. Willst du die Levade aber entwickeln, wird das Pferd aller Wahrscheinlichkeit mehr brauchen, um sich in die entsprechende Balance zu bringen.
@Medusa: Dein Zitat von Bürger ist interessant, das hatte ich so gar nicht mehr auf dem Schirm. Leider bin ich im Mom. nicht zu Hause, werde das aber nächste Woche mal im Kontext nachlesen!
@sichtbare Schwebphase: Richtig erkennbar "dürfte" diese für uns tatsächlich nicht sein. Das menschliche Auge kann ca. 16 Bilder pro Sekunde unterscheiden. Das heißt ein Bild hätte höchstens eine Dauer von 62,5 ms. Rein theoretisch dürfte demnach also noch nicht mal die Schwebephase im starken Trab für uns erkennbar sein. Es wäre also tatsächlich interessant zu wissen, ob z. B. ein Totilas eine deutlich über dem Schnitt (ich vermute mal, dass die Zahlen in der Tabelle Durchschnittswerte sind) liegende Schwebephase hat oder ob wir doch von was ganz anderem reden, wenn wir von einem optischen Eindruck des "Schwebens" sprechen *g*
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