Das Pferd am Sitz haben

Rund um die klassische Reitkunst

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Catja&Olliver
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Das Pferd am Sitz haben

Beitrag von Catja&Olliver »

Eine ganz dumme Frage: was ist eigentlich genau gemeint mit dem Ausdruck "das Pferd am Sitz haben"?
Auf Italienisch (meine Muttersprache) gibt es den Ausdruck nicht.
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summer
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Beitrag von summer »

ich probiers mal zu erklären (obwohl es sicher andere gibt, dies besser können).
Man meint damit, dass das Pferd an den Hilfen steht, dass die treibenden Hilfen von hinten nach vorne durch den Pferdekörper gehen, und über das Gesäß nach vorne weitergeleitet werden und leicht an der Hand ankommen.
wenn man das Pferd am Sitz hat, reicht es oft nur an etwas zu denken oder einmal "mit dem Popi zu zucken"

Ich erlebe das im Moment mit meinem Kleinen noch nicht so häufig, aber es kommt immer wieder mal vor, dass ich ihn richtig schön am Sitz habe.

War das halbwegs verständlich? :D
Sei deines Pferdes Gang unter dir wie die Bahn eines Sterns.
In deiner fühlenden Hand,deinem schwingenden Leib,deinem schwebenden Herzen liegt Kurve&pfeilgerader Weg,liegt Anfang&Ende,liegt die unermessliche Poesie der Bewegung,liegt die lebendige Kraft.
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Catja&Olliver
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Beitrag von Catja&Olliver »

summer hat geschrieben: Man meint damit, dass das Pferd an den Hilfen steht, dass die treibenden Hilfen von hinten nach vorne durch den Pferdekörper gehen, und über das Gesäß nach vorne weitergeleitet werden und leicht an der Hand ankommen.
Danke, aber damit kann ich leider auch nicht viel anfangen, und das jetzt vielleicht nicht nur wegen der Sprache :wink:
xelape

Beitrag von xelape »

horsman
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Beitrag von horsman »

ich sags mal so:
wenn man die Handhilfe immer gut mit dem Sitz gekoppelt hat (Stichwort main fixe) und bestimmte Sitzhilfen auch ständig nach dem gleichen Muster gegeben hat (Pferd lernt dann durch Wiederholungen), dann kommt das Pferd nach und nach in einen Zustand, wo allein die Sitzhilfe die gewünschte Veränderung hervor rufen kann. Was m.E. jedoch nicht geht, sondern nur mit dem Bein (hier jedoch im besten Fall sehr sehr leicht ausgeführt) hervor gebracht werden kann, ist der treibende Vorwärtsimpuls, das Pferd zu vermehrtem Impuls aufzufordern. Das geht m.E. nicht vom Sitz.

Was aber vom Sitz her geht ist m.E.:

- drehen des Pferdes in einen Seitengang (SH oder Travers) und daraus heraus
- "bremsen"
demzufolge auch beinahe die Pirouette
- Balanceveränderung zw. Vor- Hinterhand
- fl. Galoppwechsel (beinahe - Schenkel nur noch sehr leicht nötig)

Letzlich ist aber "nur" ein optimale ankoppeln der hand an den Sitz, denn durch die Sitzveränderungen wirken wir auch über die angekopplete hand aufs Gebiss ein. ansonsten könnt man ja die Zügel abschnallen Dann ist aber meist recht schnell Ende mit "nur am Sitz" :lol:
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Butterfly1
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Beitrag von Butterfly1 »

Das Beispiel mit den Seitengängen ist ganz geschickt, sofern man das Pferd dahingehend geritten hat, dass der Sitz bestimmt, wohin das Pferd tritt und Hand/Bein seine Haltung bestimmen.
Z.B. kann ich SH ganze Bahn und Zirkel/Volte dadurch reiten, dass ich bei der ganzen Bahn mit meinem Gewicht leicht außen sitze, dadurch tritt es gerade aus im SH, nehme ich mein Gewicht nach innen tritt es auf die Volte/ Zirkel bei unveränderter SH-Stellung.
Oder Renvers geradeaus die Bande entlang sitze ich in Richtung der Bande, möchte ich auf die Volte/Zirkel sitze ich in Bewegungsrichtung sprich das Bahninnere.
Reagiert mein Pferd darauf flüssig und durchlässig habe ich es am Sitz (meiner bescheidenen Auffassung nach, alsse mich aber gerne eines besseren belehren :D )
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

Das technische wurde ja schon sehr gut erklärt, für mich ist es aber auch vor allem ein Gefühl und deshalb wie immer sehr schwer in Worte zu fassen... Ich versuche es trotzdem mal:
Zunächst mal hat man das geniale Gefühl, das Pferd mit dem Popo steuern zu können und das es irgendwie da unten dran klebt: Es folgt jeder Gewichtsverlagerung und Körperdrehung und bleibt "unter einem" läuft also auch nicht nach vorne weg. Gerade letzteres ist für mich ein entscheidendes Merkmal des "am Sitz habens": Das Pferd läuft eben nicht unter einem Weg sondern bleibt immer bei einem. Man hat das gute Gefühl, zum "bremsen" keine Zügel zu brauchen.
Ich denke, letztlich kann man es erst wirklich nachvollziehen, wenn man es mal gespürt hat - wie leider so vieles beim reiten. Und dann weiß man sofort "das ist es".
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horsman
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Beitrag von horsman »

jo. das ist es. der traum vom zentauer.
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Catja&Olliver
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Beitrag von Catja&Olliver »

Wenn es darum geht das Pferd über Gewichtshilfen zu lenken, dann sollte es aber fast selbstverständlich sein, oder?
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Catja&Olliver hat geschrieben:Wenn es darum geht das Pferd über Gewichtshilfen zu lenken, dann sollte es aber fast selbstverständlich sein, oder?
Natürlich sollte das selbstverständlich sein.
Aber die wenigsten Reiter kommen so weit und haben ihre Pferde wirklich dauerhaft zwangslos und losgelassen zwischen ihren Hilfen, ohne sie dort "einzuklemmen".

Um mal Goethe - ein hervorragender Reiter - zu zitieren: wenn Ihr's nicht fühlt, Ihr werdet's nie erjagen. Ich durfte in den letzten Wochen ein paar Mal eine Andeutung davon erfühlen, was es heißt, das Pferd am Sitz zu haben, wenn man mit seinen eigenen Beinen die Hinterbeine des Pferdes lenkt/kontrolliert und gleichzeitig die vielzitierte Gummistrippe in den Händen hält. Wenn Schweres plötzlich mühelos gelingt, weil die Grundlagen stimmen, dann hat man sein "Pferd am Sitz". Und das ist dann auch der (magische) Moment in dem man sich nicht mehr darum kümmern muss, ob man beispielsweise in der Hüfte einknickt, denn ein Pferd, was man am Sitz hat, das setzt einen richtig und mittig hin. So zumindest mein laienhaftes Verständnis.
Talent bedeutet Energie und Ausdauer. Weiter nichts. (Heinrich Schliemann, Entdecker Trojas)
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Medusa888 hat geschrieben:Ich durfte in den letzten Wochen ein paar Mal eine Andeutung davon erfühlen, was es heißt, das Pferd am Sitz zu haben, wenn man mit seinen eigenen Beinen die Hinterbeine des Pferdes lenkt/kontrolliert und gleichzeitig die vielzitierte Gummistrippe in den Händen hält. Wenn Schweres plötzlich mühelos gelingt, weil die Grundlagen stimmen, dann hat man sein "Pferd am Sitz". Und das ist dann auch der (magische) Moment.
Yep, genau so fühlt sich das an. Das ist zwar ein ziemlich langer Weg dahin, aber wenn man das einmal so gefühlt hat, will man das auch immer wieder :D
esge
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Beitrag von esge »

Ich beschreibe es gern so, dass mir das Pferd "mit den Hinterbeinen in die Hände tritt".

Am Sitz habe ich das Pferd dann, wenn ich die Zügel nicht mehr zum Lenken, Bremsen, Lektionen reiten brauche, sondern diese nur noch verwende, um mein Pferd in der gewünschten Form, die zu erhalten. Alles andere wird durch die Verbinung Reiterpo (inklusive Oberschenkel) und Pferderücken erledigt.

Um die Verwirrung für Nicht-Muttersprachler perfekt zu machen, könnte man noch die Bezeichnung "das Pferd VOR dem Sitz haben" einwerfen.

Dafür habe ich ziemlich lange gebraucht, um das zu begreifen - einfach mangels eines Pferdes, das sich so bewegt hat. vor dem Sitz ist das Pferd (für mein Gefühl) , wenn es bedingungslos nach vorn geht ohne das Gleichgewicht dabei nach vorn zu verlagern, wenn es sich in den Schultern aufrichtet und in der Kruppe senkt. Kurz, wenn es im besten Sinne versammelt ist. Das Pferd vermittelt, es KÖNNTE direkt in den Himmel starten, bleibt aber ohne echte Zügeleinwirkung bei einem.

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Butterfly1
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Beitrag von Butterfly1 »

esge hat geschrieben:
Um die Verwirrung für Nicht-Muttersprachler perfekt zu machen, könnte man noch die Bezeichnung "das Pferd VOR dem Sitz haben" einwerfen.
jupp, auch das spürt man finde ich ganz schön im SH, wenn es mühelos wird, im SH zulegen-einfangen "spielen" zu können, ohne dass das Pferd aus dem Gleichgewicht kommt, jederzeit spielerisch wechseln zu können zwischen SH auf gebogener Linie und SH geradeaus und dabei das PFerd sofort willig antreten lassen - einfangen lassen zu können. Geiles Gefühl :D und mein Pony schenkt es mir zur Zeit immer mal wieder :engel:
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Junito
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Beitrag von Junito »

Ein nette Übung, um zu sehen, ob man "es" hat, ist z.B. auch Schritt-Trab-Schritt-Reprisen im Schulterherein.

Oder auch eine einfache Trabverstärkung. Wenn es einfach über etwas winzige Nuancen klappt. Ohne das Zügelmaß zu verändern.

Ich hatte dann immer irgendwie das Gefühl, dass es kuschelig wird. Der Kleine ist größer geworden. Wenn einfach alles stimmt und alles möglich scheint.

Tja, die himmlischen Momente. Die größte Kunst dabei ist, im richtigen Moment aufzuhören.
Pferde sind wie guter Sekt - es braucht Zeit und Erfahrung, damit sie perlen können.
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Meg
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Beitrag von Meg »

Das Gefühl kommt auch ganz auf's Pferd an, bei meinem Montagspferd hatte ich es nur ganz kurze Momente (zum Beispiel nach einer langen Pause), bei meinem kleinen hatte ich das Gefühl vom Anfang an, sogar im leichten Sitz. Hört sich bescheuert an, aber ich finde man kann auch im leichten Sitz ein Pferd am Sitz haben 8) Ich bin froh, dass ich es bei (eigenem) Pferd Nr. 4 nun endlich erleben darf. Und GsD habe ich immer viele andere Pferde geritten, Jorik gibt mir heute noch das Gefühl ein Anfänger zu sein (wobei dass allerdings an seinen gesundheitlichen Problemen liegt, so dass er jetzt in Rente geht).

LG
Meg
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