Halbe Paraden bei schiefem Pferd unnütz?

Rund um die klassische Reitkunst

Moderatoren: Julia, ninischi, Janina

Benutzeravatar
Cubano
User
Beiträge: 3727
Registriert: Di, 20. Mär 2007 19:34
Wohnort: Oldenburger Land

Beitrag von Cubano »

Barbara I hat geschrieben:Allerding muss ich sagen, das ich die Richtlinien so interpretieren würde, dass alles gleichzeitig stattfindet:
"...Einschließen des Pferdes zwischen den Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen..."
:D :D
Denn die RL sagen ebenso eindeutig: die treibenden Hilfen haben IMMER Vorrang. Und laut der Definition zählen dazu sowohl Schenkel- als auch Gewichtshilfen.
Was aber leider nichts daran ändert, dass es vielfach so gelehrt wird, wie Du beschrieben hast.

LG
Andrea
horsman
User
Beiträge: 2879
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 12:04
Wohnort: NRW

Beitrag von horsman »

die HP in der "fanz. Reiterei" ist soweit ich das beurteilen kann auch existet und zwar im Grunde nicht viel anders.
Erst (und nur) wenn man das Pferd vom Gebiss los bekommen hat, indem man Kieferflexion bekommen hat kann man eine kurze HH-Impuls-belebenden Sporen- oder Beinaktion setzen, falls die überhaupt gerade notwendig.

Im Grunde auch nicht viel anders, aber anders mE präziser formuliert.
Es ist ja überhaupt meine Ansicht, dass sich beinahe die gesamte typ. franz. Reiterein incl. der Baucher-Thesen im Grunde auch aus (Teilen) der dt. RL und Lieratur herauslesen läßt. Deshalb könnten sich beide Denkweisen auch befruchten, wenn mal mal die dogmatischen Scheuklappen ablegen würde.

Das Übergänge innerhalb einer Gangart und zur Versammlung nur korrekt funktionieren, bei einem gerade gericheteten Pferd, damit stimme ich völlig überein. Ein schiefes Pferd ist nicht korrekt in Balance und damit auch noch nicht korrekt losgelassen.
Zuletzt geändert von horsman am Mo, 25. Mai 2009 12:47, insgesamt 2-mal geändert.
Benutzeravatar
greta j.
User
Beiträge: 1461
Registriert: So, 24. Sep 2006 21:03
Wohnort: Bayern

Beitrag von greta j. »

Cubano hat geschrieben:Denn die RL sagen ebenso eindeutig: die treibenden Hilfen haben IMMER Vorrang.
Ist aber denn damit wirklich der "zeitliche Vorrang" gemeint!?
Oder eher, dass generell die treibenden Hilfen wichtiger sind als die (lapidar ausgedrückt ;)) "bremsenden"?

Sollte damit der zeitliche Vorrang gemeint sein, dann isses aber unglücklich ausgedrückt. (Und dann hoffen wir auf eine bessere Formulierung in den überarbeiteten RLs... ;))
"Reiten Sie Ihr Pferd glücklich." - Nuño Oliveira
Benutzeravatar
Barbara I
User
Beiträge: 243
Registriert: Mi, 16. Jan 2008 19:53
Wohnort: Koblenz

Beitrag von Barbara I »

Cubano hat Folgendes geschrieben:
Denn die RL sagen ebenso eindeutig: die treibenden Hilfen haben IMMER Vorrang.
Ist aber denn damit wirklich der "zeitliche Vorrang" gemeint!?
Oder eher, dass generell die treibenden Hilfen wichtiger sind als die (lapidar ausgedrückt ) "bremsenden"?
Aus meinem früheren Reitunterricht habe ich letzeres gelernt. Was dazu führt, dass sich beide "Richtungen" überlagern. Man steht also gleichzeitig auf Gas und Bremse, und auf dem Gas etwas mehr. Was im erstem Moment dazu führt, dass man ein Übermaß des Einen durch das Andere ausgleichen kann, und was natürlich weiterhin das Pferd abstumpft. Leider sehr oft zu sehen.

... es führt allerdings dazu, dass Pferde auch auf niedrigerem Niveau besser "in ihrer Form" bleiben, während bei meinem Pferd jede Störung deutlicher sichtbar wird :wink:
Benutzeravatar
Cubano
User
Beiträge: 3727
Registriert: Di, 20. Mär 2007 19:34
Wohnort: Oldenburger Land

Beitrag von Cubano »

Nein, so ich es gelernt habe, ist damit durchaus die zeitliche Verzögerung gemeint. So heißt es – um ein Beispiel zu nennen – bei der ganzen Parade, dass das leichtwerden mit der Hand sofort erfolgen muss und nicht erst, wenn das Pferd zum Stehen gekommen ist. Also wirken die treibenden Hilfen noch ein, während die verwahrende bereits aufgehört hat.
@Horsmän: Genauso wie Du sehe ich das auch mit den Parallelen – aber da kämpft man bisweilen auf allen Seiten gegen die berühmten Windmühlenflügel
Benutzeravatar
Janina
Moderator
Beiträge: 1661
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 12:03
Wohnort: Fulda

Beitrag von Janina »

Also beim Anhalten treibst du aber nach dem französischen Verständnis z. B. nicht. Zumindest nicht am Anfang der Ausbildung.
Kommt ein Pferd "auf Piaffeniveau", wird man die treibenden Hilfen beim Verlangesamen dazunehmen, aber vorher nicht.
Ist ja auch irgendwie komisch: Du treibst, aber das Pferd soll anhalten? Sogar ohne dass die Zügel noch einwirken? Das verstehe ich ja noch nicht mal, wie sollte es dann mein Pferd verstehen ;-)

Und in den Richtlinien wird nicht explizit auf eine zeitliche Trennung hingewiesen, im Gegenteil in bestimmten Fällen sogar ganz klar das Treiben gegen die Hand empfohlen (Bd. I von ´76, S. 143 z. B.).

Grundsätzlich (um mal wieder etwas mehr btt zu kommen) denke ich aber nicht, dass halbe Paraden ein schiefes Pferd schiefer machen. Wenn man die halbe Parade mal als "Grundhilfe" sieht, wie könnte man denn ohne sie auskommen, bevor das Pferd wirklich geradegerichtet ist?
Benutzeravatar
Cubano
User
Beiträge: 3727
Registriert: Di, 20. Mär 2007 19:34
Wohnort: Oldenburger Land

Beitrag von Cubano »

Janina:Wie genau bekommen dann die Pferde die Hinterhand mehr drunter, wenn nach der französischen Schule die treibenden Hilfen bei der ganzen Parade ausgesetzt werden?
Benutzeravatar
Janina
Moderator
Beiträge: 1661
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 12:03
Wohnort: Fulda

Beitrag von Janina »

Nur mal kurz vorneweg, damit keiner meckert: "Französische Reitweise" ist natürl. ein zieml. allgemeiner Begriff, ich schreibe von dem, was ich bei PK gelernt habe (und auch da keine Garantie, dass das 1:1 noch so aktuell ist, ist ja nun auch schon ein paar Jahre her :wink: )

Zur Frage: Definiere: "Mehr drunter." Zum einen streitet PK ab, dass es so etwas wie "vermehrtes Untertreten der HH" in der normalen Fortbewegung überhaupt gibt. Die einzigen Bewegungen, in denen das zuträfe, seien das Rückwärtsrichten, die Piaffe und die Galopppirouette. Ansonsten trete die HH nur vermehrt unter, wenn sie auch mehr nach hinten rausschiebt (er hatte da immer ganz nette Bilder zur Veranschaulichung).
Ziel ist also nicht die HH mehr untergreifen zu lassen, sondern das Gewicht auf diese zu verschieben. Und das wird über das Aufrichten durch die Hand erreicht (das allseits bekannte Ausnutzen der Hebelwirkung des Halses).
Um die HH jetzt nicht "ausfallen" zu lassen, was zweifelsohne passieren würde, wenn man nur über Handhilfen pariert, sorgt man vorher(!) für eine ausreichende Aktivität des Pferdes.
Das Prinzip zieht sich eigentlich durch dieses Ausbildungssystem: Das Pferd wird erst in eine Position versetzt, in der es ihm leicht fällt, eine Lektion wie gewünscht auszuführen und dann erst wird sie tatsächlich ausgeführt.
Also erst über treibende Schenkelhilfen die Hinterhand aktivieren und dann die Zügelhilfen geben.
Fällt das Pferd dabei aus, wieder Hand weg, Schenkelhilfe zum Vorwärts, usw.
Deswegen wird hier auch extrem viel über Übergänge gearbeitet (kennst du sein Video, wie er die Piaffe erarbeitet?).
Problem für den Reiter ist hier mit Sicherheit das Timing, aber gutes Reiten ist, glaube ich, nie einfach :roll:
Benutzeravatar
Cubano
User
Beiträge: 3727
Registriert: Di, 20. Mär 2007 19:34
Wohnort: Oldenburger Land

Beitrag von Cubano »

Janina hat geschrieben:Also erst über treibende Schenkelhilfen die Hinterhand aktivieren und dann die Zügelhilfen geben.
Hmm, genauso reite ich das nach good old FN auch :D
Die Videos von PK habe ich hier, aber lange nicht mehr angeschaut. Muss ich mal nachholen…

Vergessen: HH aktivieren meint eigentlich in diesem Fall das Gleiche wie "drunter"
Fliehendes Pferd
User
Beiträge: 188
Registriert: Fr, 11. Apr 2008 16:43
Wohnort: Hünxe

Beitrag von Fliehendes Pferd »

Ich bin stur FN. Und von in die Zange nehmen kann ja wohl keine Rede sein. Natürlich sind auch gebogene Linien geraderichtende Arbeit. Nur: wie bekommst Du denn das Pferd gebogen ? Diagonale Hilfengebung ? Schulterkonrolle ? und wie mache ich das ? Richtig, mit halben Paraden.
Benutzeravatar
Colloid
User
Beiträge: 847
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 09:53
Wohnort: Karlsruhe

Beitrag von Colloid »

Barbara I hat geschrieben: Während der Arbeit soll ein Pferd immer aufmerksam sein. Die halbe Parade soll also nicht standardmäßig vor einer Aktion gegeben werden, sondern nur dann, wenn sie nötig ist, um das Gleichgewicht wiederherzustellen.
Sehr wichtiger Punkt! Ich persöhnlich lehne dauerhafte halbe Paraden vor jeder Änderung ab. Dies sorgt meines Erachtens mit Nichten für mehr Aufmerksamkeit, sondern stumpft das Pferd nur ab.
Cubano hat geschrieben:Nein, so ich es gelernt habe, ist damit durchaus die zeitliche Verzögerung gemeint.
Jepp und es ist sehr bescheiden vormuliert, um es mal nett auszudrücken ;)
Einer der Gründe, warum ich erst Bürger lesen musste, bis ich die Richtlinien kapiert habe...
So heißt es – um ein Beispiel zu nennen – bei der ganzen Parade, dass das leichtwerden mit der Hand sofort erfolgen muss und nicht erst, wenn das Pferd zum Stehen gekommen ist. Also wirken die treibenden Hilfen noch ein, während die verwahrende bereits aufgehört hat.
Jupp, und genau deswegen funktioniert diese Art Parade erst, wenn das Pferd gelernt hat, daß die Schenkelhilfe untertreten heisst (und hinreichend geradegerichtet ist - sonst wirds scheps und murks)). Weswegen es leider bei vielen nicht funtioniert, wahrscheinlich haben sie (bzw. ihre Pferde) den Bürger noch nicht durch ;)
Wie man so etwas ohne halbe Paraden reitet? Über den Sitz: Ausatmen, locker lassen--Pferd steht.
Janina hat geschrieben:Problem für den Reiter ist hier mit Sicherheit das Timing, aber gutes Reiten ist, glaube ich, nie einfach
Mit dem richtigen Timing fängt gutes Reiten an. ;) Alles ohne ist leider nur Gewurschtel *Colli immer wieder hofft, daß Wurschteln mal abstellen zu können und wieder mit Reiten anzufangen*

@Fliehendes Pferd: Sorry, aber meinem Empfinden nach fallen die Hilfen zum Biegen noch nicht unter das, was ich unter einer HP verstehe, auch deswegen, weil das Pferd, dem was ich mit einer HP möchte, noch nicht nachkommen kann. Für mich hat eine HP ein Aufwölben, Sammeln, HH Anschließen zum Ziel, wenn ich weiß, daß dies das Pferd nicht kann, ist diese Hilfe für mich nur ein Hand zu und auf und Bein dran und weg, aber keine HP. Witzigerweise steht und fällt für mich also eine HP mit der Antwort des Pferdes....
Benutzeravatar
Janina
Moderator
Beiträge: 1661
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 12:03
Wohnort: Fulda

Beitrag von Janina »

Cubano hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:Also erst über treibende Schenkelhilfen die Hinterhand aktivieren und dann die Zügelhilfen geben.
Hmm, genauso reite ich das nach good old FN auch :D
Das widerspricht aber diesem Zitat von dir:
Cubano hat geschrieben:So heißt es – um ein Beispiel zu nennen – bei der ganzen Parade, dass das leichtwerden mit der Hand sofort erfolgen muss und nicht erst, wenn das Pferd zum Stehen gekommen ist. Also wirken die treibenden Hilfen noch ein, während die verwahrende bereits aufgehört hat.
Treibende Hilfen heißen "nach Karl" immer(!) vorwärts. Treibende Hilfen während das Pferd anhalten soll (->ganze Parade) soll es nicht geben, da es ein Widerspruch innerhalb des Ausbildungssystems wäre.

Das ist natürlich wieder alles sehr theoretisch. Es gibt auch Pferde, die kommen damit super zurecht, aber okay...

Wobei das jetzt schon gar nicht mehr wirklich das Thema ist.
Was jetzt die halben Paraden aber mit dem Biegen zu tun haben, verstehe ich auch nicht so ganz. (@Fliehendes Pferd)
sinsa
User
Beiträge: 882
Registriert: Di, 13. Nov 2007 19:32
Wohnort: berlin

Beitrag von sinsa »

Vielleicht will das Pferd ohne Bremse darauf hinaus, dass wenn eine (korrekt ausgeführte) halbe Parade das Pferd schon so schief macht, was müssen dann erst die Zügelhilfen in einer Biegung für Folgen haben. :kopfkratz:
Antworten