Balance ohne Anlehnung?

Rund um die klassische Reitkunst

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louise
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Beitrag von louise »

Das findet auch statt, wenn es nicht nach Légèreté geübt wird, sondern mit einer verständigen Hand, die das Pferd unterstützen möchte, wo nötig und ruhig/untätig ist, wo nicht nötig. :wink:

Aber egal, wie man es betrachtet: solange die Hand zum Lenken benutzt werden muss und das Lenken nicht durch Gewichtshilfen/Sitz allein funktioniert, hat die Hand zuviel zu tun und unnötigen Kontakt mit dem Pferdemaul. Das Pferd kann sich m.E. über den Hals nicht richtig ausbalancieren und ab einer gewissen Ausbildung (die nach Pferd und ReiterIn ja durchaus unterschiedlich sein kann) sollte dies nicht mehr nötig sein.

Louise
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

Danke für die vielen Antworten :D

Ich sehe schon, auch bei dieser Frage war ich wohl zu sehr beeinflusst von dem, was ich unter dem Werbeslogan "klassische Reitkunst" schon zu oft gesehen habe. Bei einem jungen Pferd die Zügel "wie Ausbinder" feststellen, das junge Pferd mit festem Schenkeldruck auf der Linie halten, "es darf den Reiter auch mal im Bizeps ziehen" (letzteres ein Zitat von Herrn Hess).

Wahrscheinlich geht es mir so wie vielen, die von dieser "Kraftreiterei" frustriert sind, mich fasziniert der deutliche Gegensatz - (und ich muss feststellen, ich kann mein Pferd ohne Anlehnung nicht immer wirklich am Sitz "lenken"...)
Aber egal, wie man es betrachtet: solange die Hand zum Lenken benutzt werden muss und das Lenken nicht durch Gewichtshilfen/Sitz allein funktioniert, hat die Hand zuviel zu tun und unnötigen Kontakt mit dem Pferdemaul.
Und deswegen werde ich wohl tatsächlich hier und da mal die Zügel loslassen und ein paar große Linien und einfache Übergänge reiten, um zu überprüfen, ob mein Sitz für mein Pferd verständlich ist...

PS
(Nur zur Sicherheit möchte ich nochmal erwähnen, dass es mir nicht um "Indianerreiten" geht. Sondern darum, die klassische Reitkunst besser zu verstehen, die Ziele und den Weg dahin.
louise
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Beitrag von louise »

Wie sagte Herr Riegler/Span. Hofreitschule Wien letzte Woche so schön: "Klassische Ausbildung ist einfach unspektakulär und richtet sich nach dem Pferd. Manches Pferd, das nur im Gelände geritten wird und - wenn er dicke rote Bus kommt - sofort stehen bleibt, ist für mich klassischer, weil korrekt an den Hilfen, als manch anderes höher ausgebildetes Pferd."
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

Juhuuuuu *auf ins Gelände!!*

:wink:
LordFado

Beitrag von LordFado »

Barbara I hat geschrieben:"es darf den Reiter auch mal im Bizeps ziehen" (letzteres ein Zitat von Herrn Hess).
... das ist ja auch schonmal inhaltlich Schwachsinn, da der Bizeps zum Anwinkeln des Unterarmes Richtung Oberarm zuständig ist, während der Trizeps derjenige wäre, der den Oberarm (mitsamt dranhängendem, abgewinkelten Unterarm) nach hinten zieht… Insofern ist der Bizeps vielleicht für die hohe Hand zuständig und für Aufwärtsparaden, ganz bestimmt aber nicht am „festhängen“ und Rückwärtswirken der Hand beteiligt.
Ich denke, Herr Hess hat das eher metaphorisch als wörtlich gemeint und darauf angespielt, dass Reiten ein SPORT ist (bzw. sein kann), was eben auch mal körperliche Anstrengung zur Folge hat und ein reines draufsitzen und sich-tragen-lassen eben nicht weit führt.
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

LordFado hat geschrieben:dass Reiten ein SPORT ist (bzw. sein kann), was eben auch mal körperliche Anstrengung zur Folge hat und ein reines draufsitzen und sich-tragen-lassen eben nicht weit führt
V E T O
Genau das unterscheidet eben den Turniersport von der Reitkunst
Wenn ein Militäryreiter nach der Geländestrecke platt ist, hab ich vollstes Verständnis dafür. Aber nicht wenn jemand nach einer Dressurvorführung mit hochrotem Kopf vom Pferd steigt.
Manchmal sind die Definitionen doch einfacher als man denkt :P
Es grüsst ottilie
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LordFado

Beitrag von LordFado »

das kriegste gleich wieder zurück, das Veto :-)

hochroter Kopf = kreislaufmäßig und Ausdauermäßig anstrengend, hohe Herzfrequenz, hohe Atemfrequenz

"Bizeps ziepen" = muskuläre Anstrengung, hat erstmal nix mit Kreislauf und PAT-Werten zu tun.

meine prinzipielle Meinung: es muss sich die Anstrengung bei pferd und Reiter die Waage halten - ist es fürs Pferd anstrengend, darf der Reiter dafür gern auch ein bisschen Einsatz zeigen...

Wichtig ist, dass es leicht aussieht (und das ist die KUNST!), was nicht immer impliziert, dass es das auch ist. "Arbeit" ists immer, außer ich lasse mich von nem Touristenpferd durch die Landschaft tragen. In manchen Fällen ists mehr Kopf- und Koordinationsarbeit (z.B. beim Dressurreiten), in manchen aber eben auch körperliche (und das ist es fürs Pferd bei einigen Lektionen auch in der Dressur ganz sicher!)
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

und das ist es fürs Pferd bei einigen Lektionen auch in der Dressur ganz sicher!
Ich hab ja nur vom Reiter gesprochen 8)
Daß PiPa etc. fürs Pferd ein Spaziergang sind, hab ich nicht behauptet.

Trotzdem bin ich der Meinung, wo leicht draufsteht, sollte auch leicht drinstehen... so als ewig ferner Olymp.
Show sehen wir genug an anderen Orten.
Es grüsst ottilie
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Jen
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Beitrag von Jen »

nochmal veto! :D

Ich behaupte, dass es für den Reiter immer leichter wird, wenn er sich selber immer besser koordinieren kann und dadurch auch zum Atmen kommt. Die Anstrengung soll v.a. geistiger Natur sein, d.h. Konzentration. Die Einwirkungen selber sind aber nicht wirklcih anstrengend, wenn sie aus einem guten Körpergefühl hervorgehen. Ich durfte gerade gestern in der Reitstunde erleben, dass wenn man ein wirklich gutes Gefühl und gute Koordination bei wirklicher Losgelassenheit hat, man ganz einfach weiteratmen kann und dadurch alles sehr leicht wird. anstrengend wird es meistens dann, wenn man sich verspannt und dadurch die Atmung behindert, flach atmet, zu wenig atmet, zu wenig Sauerstoff hat und dadurch auch schneller müde wird. Je weiter das Pferd in der ausbidlung ist, desto leichter sollte es ja auf die Hilfen reagieren, nicht desto zäher. also dürfte auch der Schenkeldruck nicht zunehmen. Reagiert das Pferd nicht, wie gewünscht, erhöhe ich nicht den schenkeldruck, sondern setze die Gerte oder allenfalls die Sporen als Korrektur kurz ein, so dass ich eben mit feinem Schenkeldruck reiten kann. Das bracht aber hohe Selbstdisziplin (und nein, ich kann es auch nicht immer perfekt umsetzen ;) ). Was ich hingegen sehr anstrengend finde, ist längere Galoppstrecken im leichten Sitz zu reiten. Das geht in die Beine, Mann...! :lol: Kann man sich das Fitnesscenter gerade sparen!
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Jep, das unterschreib ich mit.
Bis auf die Galoppstrecke im leichten Sitz, das geht mir ins Kreuz :roll:
Es grüsst ottilie
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LordFado

Beitrag von LordFado »

stimme Jen 100% zu! Trotz aller Körperbeherrschung und Koordination ist es aber kein "nichtstun"! Nur erspart man sich durch Technik viel Kraftaufwand... (vielleicht ist man aber einfach auch so geübt und trainiert, dass es einem nicht mehr anstrengend vorkommt? Ist doch bei Yoga etc. genauso - wenn mans kann, ists nicht anstrengend, solange man übt teilweise ziemlich)
Motte
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Beitrag von Motte »

Jen hat geschrieben:Was ich hingegen sehr anstrengend finde, ist längere Galoppstrecken im leichten Sitz zu reiten. Das geht in die Beine, Mann...! :lol: Kann man sich das Fitnesscenter gerade sparen!

Tzzzz - ich nehm euch mit auf meine Lieblingsgaloppstrecke bei uns.
4,5 km geradeaus galoppieren. Am Stück. Da merkt man dann am nächsten Tag Muskeln im Po, wo man üüüberhaupt keine vermutet hätte :shock:

:lol:
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

LordFado hat geschrieben:
Barbara I hat geschrieben:"es darf den Reiter auch mal im Bizeps ziehen" (letzteres ein Zitat von Herrn Hess).
...
Ich denke, Herr Hess hat das eher metaphorisch als wörtlich gemeint und darauf angespielt, dass Reiten ein SPORT ist (bzw. sein kann), was eben auch mal körperliche Anstrengung zur Folge hat und ein reines draufsitzen und sich-tragen-lassen eben nicht weit führt.
Naja, ich versuche ja auch immer, die wirkliche Absicht aus Aussagen herauszulesen. Aber diese Aussage kann ich nun wirklich nicht so interpretieren, dass sie einen Sinn macht, der für mich erstrebenswert wäre.

Wenn das wirklich klassisch ist- na, dann reite ich lieber wie die Indianer :wink:


Wenn mich Reiten anstrengt, dann deswegen, weil ich meinen Körper in einer Spannung halten muss, die der entsprechenden Aufgabe entspricht und mich in Balance hält. Jawohl, im Galopp für das Pferd "neutral" zu bleiben, ist anstrengender als auf der Couch zu sitzen. Aber ich habe auch nach 50 km Distanzritt noch eine gesunde Gesichtsfarbe :D
Bebe
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Beitrag von Bebe »

sondern setze die Gerte oder allenfalls die Sporen als Korrektur kurz ein, so dass ich eben mit feinem Schenkeldruck reiten kann.
Aber bitte direkt hinter dem Schenkel :)
Lou mit Lucy
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Beitrag von Lou mit Lucy »

LordFado hat geschrieben:
Barbara I hat geschrieben:"es darf den Reiter auch mal im Bizeps ziehen" (letzteres ein Zitat von Herrn Hess).
... das ist ja auch schonmal inhaltlich Schwachsinn, da der Bizeps zum Anwinkeln des Unterarmes Richtung Oberarm zuständig ist, während der Trizeps derjenige wäre, der den Oberarm (mitsamt dranhängendem, abgewinkelten Unterarm) nach hinten zieht… Insofern ist der Bizeps vielleicht für die hohe Hand zuständig und für Aufwärtsparaden, ganz bestimmt aber nicht am „festhängen“ und Rückwärtswirken der Hand beteiligt.
Sry fürs OT - aber der Bizeps ist da schon richtig :wink: Da das (am Zügel ziehende) Pferd den Reiterarm "strecken will", muss man beugend dagegenarbeiten. Und zwar mit dem Bizeps.

Wie auch immer. Reiten darf auch mal ein bisschen anstrengend sein. Aber wie Barbara schon schrieb, eher in der Hinsicht, dass man seine eigene Körperspannung sehr genau variieren können muss. Die Armmuskeln hingegen stehen ganz weit oben auf der Liste der Körperteile, die auf keinen Fall schmerzen dürfen. Wenn ich mit meinem Bizeps arbeiten muss - wie sehen dann erst die Hals- und Kiefermuskeln meines Pferdes aus (ganz zu schweigen von der Zunge und den Laden...)?

Ich finde, dass allzuoft das Gebiss im Pferdemaul als viel zu selbstverständlich angesehen wird. Man muss sich mal bewusst machen, wie primitiv, wie pervers es eigentlich ist, ein Lebewesen mit einem Metallstück im Mund zu kontrollieren. Damals im Krieg - ok, da musste das Pferd funktionieren. Aber zum Reiten aus Spaß an der Freude finde ich nicht, dass ich das Recht habe, meinem Pferd in irgendeiner Weise Schmerzen zuzufügen. Und das tue ich, sobald ich das Gebiss anders verwende, als für sehr feine, signalartige Hilfen und eine federleichte Anlehnung (es lebe der Idealismus :wink: )

Aber Reiter verlieren sich oft in ihrer eigenen Welt und finden dieses machtvolle Instrument im hochsensiblen Pferdemaul (und diverse andere Beispiele) eben normal. Da hilft so manches Mal das Gespräch mit einem Nichtreiter, um wieder einen gesünderen Blick auf das Tier und das, was man ihm eigentlich antut, wenn man sich das Recht herausnimmt, es zu bearbeiten, zu bekommen.

LG, Lou
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