Druck auf Maulwinkel = Dehnungshaltung - richtig verstanden?

Rund um die klassische Reitkunst

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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Geht eine Trabverstärkung und diese in ihrer Vollendung in Form des starken Trabes als Lektion, einher mit Losgelassenheit und Balance, hat das mit "Stabilität" nur in soweit etwas zu tun, als daß der Körper optimal innerhalb seiner Möglichkeiten ausgewogen arbeitet und nicht im geringsten etwas mit "Bewegungslosigkeit".
Ich spreche hier nicht von Strampelei oder Stechtrab, sondern von der Kombination von Kraftentfaltung und Bewegungsimpuls mit losgelassenem, freien Durchschwingen. Die Schwingung läuft dann harmonisch durch. Freier Fluß von Energie.
Daran kann ich nichts Negatives entdecken.

Dinge bedingen sich immer gegenseitig- die Henne und das Ei, die Losgelassenheit und das tätige Maul, - der Antritt der Hinterhand und die Freiheit der Schulter. Schön, wenn sich das leichte Maul aus der Arbeit ergibt, auch schön, wenn man helfend Einfluss nehmen kann, wenn es sich nicht ergibt.
esge
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Beitrag von esge »

knowi, ja, ich finde schon, dass man ein "schwänzelndes" Pferd durch etwas nach vorn schicken stabilisieren kann. Denn das "Schwänzlen" rührt ja gerade daher, dass der antritt von hinten ausgefallen ist.
Allerdings nützt "Gas geben" nur unter der Voraussetzung, dass das PFerd nicht einfach auf die Vorhand fällt und davoneilt, sondern indem man wirklich die Schritte/Tritte/Sprünge verlängert. Das setzt also schon ein einigermaßen gerittenes Pferd voraus. Aber ich benutze da gern den Vergleich zu einem Hängergespann, das sich aufschaukelt. das zieht man auch gerade, indem man Gas gibt.

Über den echten starken Trab kann ich einfach nichts sagen, weil ich nur ungefähr 2 x im Leben die Gelegenheit hatte auf einem Pferd zu sitzen, das das wirklich konnte. Da fühlte sich dann, wie auch saltandpepper sagt, nichts steif an. Das war ein einziges WOW!!!, wo das Pferd durch und mit dem gesamten Körper flog. Das war einfach nur schön.
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chica
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Beitrag von chica »

Geht langsam bissi weit weg vom Thema. Bitte den Fokus auf Dehnungshaltung durch aktive Handeinwirkung behalten. Danke ;)
LG Ines
................................................
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knowi
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Beitrag von knowi »

(Sorry Chica, nur das noch)

Ok, danke, Esge! :D So ähnlich hatte ich mir das gedacht.
Jedes Werden in der Natur, im Menschen, in der Liebe muss abwarten, geduldig sein, bis seine Zeit zum Blühen kommt.
Dietrich Bonhoeffer
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Beitrag von esge »

höhö, ich löse übrigens auch die Trabverstärkung durch ein Handsignal "dehn dich da jetzt mal doller heran" aus. Voraussetzung ist natürlihc, dass das Pferd auf das "GO" an sich wartet.
Das ist halt das Schöne, wenn man dieses "dehn dich da heran" etabliert hat. Man kann es benutzen, wann immer man möchte und es hat immer einen positiven (weil entspannenden) Effekt aufs PFerd.
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Obwohl ein ein total unerfahrener "Gebisslos-Reiter" bin, möchte ich trotzdem etwas dazu sagen: ich habe für eines meiner Pferde ein Hackamore gekauft, um ihn die ersten paar Tage nach dem Zahnarztbesuch reiten zu können (sonst habe ich immer mit Kappzaum longiert). Ich hatte beim Beobachten von Reitern, die gebisslos geritten sind, immer die Vermutung, dass man bei weitem nicht so fein einwirken kann wie mit Gebiss. Was mir die Praxis bestätigt hat: wo ich mit dem Gebiss einen Effekt über ein Fingerspiel erreicht habe, musste ich gebisslos erheblich "weitere Wege" mit meinen Händen beschreiben, um zum gleichen Ergebnis zu kommen.

Ich kann mir vorstellen, dass es irgendwo eine Grenze im Ausbildungsstand gibt, die man bei einer rein gebisslosen Ausbildung nicht überschreiten kann. Sicherlich kann man aber anders herum bei einem Pferd, das auf Gebiss einen gewissen Ausbildungsstand erreicht hat, diese Lektionen auch gebisslos abrufen. Deshalb wäre für mein Verständnis (wenn ich klassisch dressur-orientiert reiten möchte) immer die Ausbildung mit Gebiss zu bevorzugen.

Ich hatte mal ein Pferd, das mit dem Gebiss schlechte Erfahrungen gemacht hatte und das sich bereits beim Auftrensen gewehrt hat. Ihn habe ich eine Zeitlang mit einem Nathe-Gebiss geritten. Er hat das angenehme "Maulgefühl" zunächst mit dem anderen Material verbunden, was beabsichtigt war. Nach etwa 1/2 bis 3/4 Jahr habe ich bei ihm das notwendige Vertrauen ins Gebiss erreicht und habe dann wieder auf's Aurigan-Gebiss umgestellt. Nachdem er verstanden hatte, dass das genau so angenehm ist, war das Problem aus der Welt geschafft.

Zum starken Trab kann ich mir eine OT-Bemerkung nicht verkneifen: ein Show-Gestrampel-Starker-Trab ist niemals über den Rücken. Da fehlt immer das aktive Hinterbein. Ein Pferd, das die Trabverstärkung korrekt mit gutem Hinterbein geht, geht auch immer schwungvoll über den Rücken. Manche begnadeten Bewegungskünstler bieten von Anfang an wunderbare Verstärkungen an und nehmen den Reiter dabei schön mit - die kann man wunderbar sitzen. Bei den meisten anderen ist eine gute Verstärkung aber nur mit steigendem Versammlungsniveau und jahrelanger Arbeit möglich. Unabhängig davon wird der "Sitzkomfort" für den Reiter in jeder Gangart durch das Exterieur und die Bewegungsmechanik des Pferdes bestimmt.
Viele Grüße
Sabine
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Beitrag von Rosana »

chica hat geschrieben:
Rosana hat geschrieben:Gerade auch den letzten Hinweis von moreno, dass die Unterkiefermobilisierung auch umgekehrt, also über den restlichen Körper funktionieren kann!
*räusper* Das nennt man dann von hinten nach vorne reiten bzw. arbeiten ;) Das, worauf die gute, alte deutsche Reitlehre abzielt :roll:
Ja schon klar, so habe ich ja auch Filux ausgebildet, damals wusste ich noch nix von Unterkiefermobilsierung...
Aber so direkt diese beiden Sachen unter diesem Begriff in Beziehung gebracht habe ich gedanklich halt noch nie.

Meine Idee war bisher: Den Körper locker machen, Dehnugnshaltung über Biegung - die Kopfhaltung/Lockerheit im Genick und damit im Kiefer kommt dann quasi von allein. Mit den Theorien der Legerete fange ich erst jetzt im zweiten Anlauf an, mich intensiver zu beschäftigen.
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Beitrag von Rosana »

moreno hat geschrieben:Hallo Rosanna,

morenO! männlich! Auch, wenn das in der Reiterei eine rechte Ausnahme ist.

Schöne Grüße

Dörr
Tschuldigung! Das war aber ein reiner Tippfehler - ich wusste eigentlich, dass der Dörr ein Herr ist ... :oops:
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Beitrag von Rosana »

Also das Ergebnis aus dieser ganzen Diskussion ist für mich, dass ich verstärkt wieder über das Reiten mit Gebiss nachdenke... :?

Um noch mal auf meine ursprüngliche Frage zurückzukommen: Ich denke inzwischen, dass zumindest der LG-Zaum MIT Hebelwirkung wahrscheinlich nicht sehr geeignet ist, dem Pferd "Kopf runter nehmen" über aktive Handeinwirkung beizubringen. Denn wenn ich am LG-Zaum nach oben einwirke, kommt die Hebelwirkung besonders stark zum Tragen, d.h. das Pferd müsste nicht nur gegen den eigentlichen Zügeldruck gegendrücken sondern auch noch gegen den enger werdenden Nasen-/Kinnriemen, der ja wiederum die in diesem Moment erwünschte Maulöffnung gerade verhindert... :? :shock:
Also wenn diese "Technik" überhaupt gebisslos, dann doch eher mit Sidepull?
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Ein Sidepull nehme ich sehr gerne als Einstiegszäumung, da ich Pferde sehr gerne zunächst einmal eine Zeit im Gelände arbeite, bevor ich meine Kringels auf dem Platz drehe. Mir ist eine gute, in natürlicher Umgebung entstandene Grundbalance die das Pferd FÜR SICH sich finden kann, sehr wichtig.
Da die Zeit das Anreitens meist so im Alter ( bei mir ) zwischen 4 und 5 liegt, bietet sich eine gebißlose Zäumung im Hinblick auf den Zahnungsprozeß an.
Auch ist eine Sidepull der Wirkung eines Halfters sehr ähnlich und damit für das junge Pferd gut einzuordnen. Das Gebiß darf das Pferd dabei spazierentragen und kann sich so an den fremden Gegenstand im Maul gewöhnen.
Eine Stute, die ich früher hatte,habe ich auf Sidepull bis in die hohen Lektionen hinein ausgebildet. Trotzdem muß man die Grenzen dieser Zäumung klar sehen :
Die Einwirkung funktioniert nur über eine reines "Drucksystem" - sprich es wird Druck ausgeübt und das Pferd führt daraufhin eine wie auch immer geartete Ausweichbewegung aus.

Da der Druck auf den Nasenrücken erfolgt, findet die entsprechende Ausweichbewegung "nach hinten" statt. Das Pferd beugt also sein Genick und weicht damit nach hinten aus
.
Ganz krass gesprochen, stellt dies ein "hinter den Zügel gehen" dar, mit all den nagativen Auswirkungen desselben :
Verkürzung der unteren Halsmuskulatur verbunden mit Einschränkung der Vorhandmechanik und damit des Gesamtbewegungsablauf.

Im Gegensatz hierzu bietet das Gebiß- so es denn eingeführt und geschult ist- die Möglichkeit ein weiters Bewegungssegment des Kopfes anzusprechen- nämlich das Maul.

Hat das Pferd das Gebiß verstanden und erfolgt die Einwirkung damit so, daß eben keine Ausweichbewegung nach hinten provoziert wird ( denn das ist ja mit einem Gebiß ebenfalls kinderleicht zu erreichen) , bietet das Trensengebiß die einzigartige Möglichkeit, den Kiefer zwar zu mobilisieren, die Ausweichbewegung nach hinten dabei aber zu vermeiden.

Das Genick bleibt also geöffnet, die untere Halsmukulatur verkürzt sich nicht und trotzdem ist das Pferd "nachgibig"- nämlich mit dem Unterkiefer.

Im Grunde ist dies der Effekt, der den Satz " das Maul ist der Schlüssel zur Reiterei" entstehen ließ.
Im Grunde ist das die Grundidee von Légèreté.
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Rioja
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Beitrag von Rioja »

Auch wenn`s noch vom Thema abweicht ...
So hin und wieder bin ich auch gebißlos (beim Pferd :wink: ) unterwegs. Dann reite ich auf Kappzaum. Da ich die Pferde ja von Anfang an auf Kappzaum (sei`s einfache oder Doppellonge) trainiere, sind auch die ersten Reitversuche damit. Erst so nach einem halben Jahr steige ich (mit entsprechender Gewöhnung) dann auf das Gebiß um. Hat sich sehr bewährt.
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Lesley
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Beitrag von Lesley »

Meine Stute hatte immer das Problem, dass sie sich einerseits einrollt und andererseits die Dehnungshaltung nur kurz anbietet, aber nicht konstant genug.
Ich arbeite jetzt seit einem knappen Jahr nach Philippe Karl und ich bin begeistert wie sehr sich die Dehnungshaltung verbessert hat.
"Wissen, das nicht jeden Tag mehr wird, wird jeden Tag weniger!"
(Chin. Sprichwort)
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