Der Jungpferde-Erfahrungsaustausch-Thread

Allgemeines rund ums Pferd

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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Gast hat geschrieben:Ein ganz einfaches Prinzip was ich entsprechend auch verwende, sich die Pferde über die Konsequenzen ihrer Handlungen selber bewusst werden und vor allem diese selber ausbaden.
Denkst Du nicht, dass Du hier Deinem Pferd gegenüber extrem unfair reagierst, in dem Du etwas erwartest, was es gar nicht leisten KANN?
Wie soll sich denn ein Pferd der Konsequenzen seiner Handlung BEWUSST werden? Das setzt das menschliche Denken von Ursache und Wirkung voraus. Hat ein Pferd aber nicht. Und selbst wenn: Wie z.B. soll ein Pferd ausbaden, wenn es vor Übermut unterm Reiter buckelt?
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Gast hat geschrieben: Ich rede ja auch nicht davon das es einmal, für ein Sekündchen mal hinter den Zügel zackelt. Es geht um minuten und rundenweises HdS reiten, was manche billigend in Kauf nehmen, Hauptsache die Anlehnung ist da. Und das ist falsch.
Und wenn die Pferde, die zwanglos sind, den Kopf mal hoch, mal runter nehmen, die Anlehnung noch nicht so kontinuierlich ist, dann vor allem weil die Balance noch nicht so hergestellt ist. Das ist auch normal, nur sollte man dem Pferd dann eher mehr Spielraum geben, als es zu eng zu machen, HdS zu gehen.
Aber genau davon reden wir hier doch die ganze Zeit... :wink: Es ging doch auch niemandem darum, dass ein Pferd ständig und immer HdS läuft, aber dass es eben durchaus mal in der Ausbildung vorkommen kann, dass es definitiv kein Endzustand ist, aber dennoch nicht immer vermeidbar.
LG
Sheitana
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Gast

Beitrag von Gast »

Cubano hat geschrieben:
Gast hat geschrieben:Ein ganz einfaches Prinzip was ich entsprechend auch verwende, sich die Pferde über die Konsequenzen ihrer Handlungen selber bewusst werden und vor allem diese selber ausbaden.
Denkst Du nicht, dass Du hier Deinem Pferd gegenüber extrem unfair reagierst, in dem Du etwas erwartest, was es gar nicht leisten KANN?
Wie soll sich denn ein Pferd der Konsequenzen seiner Handlung BEWUSST werden? Das setzt das menschliche Denken von Ursache und Wirkung voraus. Hat ein Pferd aber nicht. Und selbst wenn: Wie z.B. soll ein Pferd ausbaden, wenn es vor Übermut unterm Reiter buckelt?
Die wissen schon ganz genau was Ursache und Wirkung ist. Sonst hätten die es nicht 1 Million Jahre ohne dem Menschen überlebt.
Und das ich einen Übermut nicht bestrafe ist ja klar. Die Frage ist halt nur, warum kommt es zu dem Übermut und wie kann ich das austoben dieses unter dem Sattel vermeiden? Manche Dinge muss man ja nicht erst soweit kommen lassen oder man muss sie im wahrsten Sinne des Wortes "aussitzen", dann regelt sich das auch.
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Cubano hat geschrieben: Denkst Du nicht, dass Du hier Deinem Pferd gegenüber extrem unfair reagierst, in dem Du etwas erwartest, was es gar nicht leisten KANN?
Wie soll sich denn ein Pferd der Konsequenzen seiner Handlung BEWUSST werden? Das setzt das menschliche Denken von Ursache und Wirkung voraus. Hat ein Pferd aber nicht. Und selbst wenn: Wie z.B. soll ein Pferd ausbaden, wenn es vor Übermut unterm Reiter buckelt?
Ich würde nicht soweit gehen das Prinzip soweit auszudehnen, wie z.B. auf das Buckeln unter dem Reiter...
Ich denke nicht, dass ein Pferd, dass aus Übermut losbuckelt begreifen kann, dass das nicht gewünscht ist. Zumindest nicht, bevor es das ausprobiert hat... :wink:
Meine *alte* Stute hat dies einmal gemacht, ich kam ziemlich in Wohnungsnot, sie hat es gemerkt und buckelt seitdem nicht mehr, wenn der Übermut sie überkommt.... :lol:

Gerade am Boden bin ich aber der Meinung, dass Pferde einen Großteil abschätzen können. So weiß mein Fohlen genau, dass es nicht erwünscht ist, sich vorzudrängeln. Ausprobiert wird es trotzdem hin und wieder.... :wink: Und ja, ich denke sie weiß sehr genau um die Konsequenzen..... aber vielleicht ist Frauchen ja diesmal nicht konsequent... :wink: Auch so lernen Pferde (Kinder übrigens auch).
LG
Sheitana
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Gast

Beitrag von Gast »

Sheitana hat geschrieben:
Gast hat geschrieben: Ich rede ja auch nicht davon das es einmal, für ein Sekündchen mal hinter den Zügel zackelt. Es geht um minuten und rundenweises HdS reiten, was manche billigend in Kauf nehmen, Hauptsache die Anlehnung ist da. Und das ist falsch.
Und wenn die Pferde, die zwanglos sind, den Kopf mal hoch, mal runter nehmen, die Anlehnung noch nicht so kontinuierlich ist, dann vor allem weil die Balance noch nicht so hergestellt ist. Das ist auch normal, nur sollte man dem Pferd dann eher mehr Spielraum geben, als es zu eng zu machen, HdS zu gehen.
Aber genau davon reden wir hier doch die ganze Zeit... :wink: Es ging doch auch niemandem darum, dass ein Pferd ständig und immer HdS läuft, aber dass es eben durchaus mal in der Ausbildung vorkommen kann, dass es definitiv kein Endzustand ist, aber dennoch nicht immer vermeidbar.
Und über wieviel und wie oft reden wir? Wenn ich es beim ersten Mal merke, stelle ich es doch sofort ab und lasse es nicht mehr dazu kommen, oder?

Aber wenn ich Lieschen recht verstehe:
Das Fallenlassen des Halses hat sie, auch durch viele unterstützende Arbeiten vom Boden jetzt gut begriffen. Trotzdem bin ich noch weit davon entfernt, sie in korrekter lehrbuchmäßiger Haltung über die komplette Zeit zu arbeiten, ohne, dass sie immer mal wieder hdS kommt.

Letztlich ist es mir aber auch egal. Wo sich die Stirnlinie befindet, ist ohnehin nur eines von vielen Anzeichen, ob ein Pferd gut gearbeitet wird. Mir ist wichtiger, dass sie inzwischen die ruhige Verbindung an die Hand akzeptiert, beginnt, über den Rücken ans Gebiss heran zu ziehen, bei mir bleibt, mir "zuhört", Spaß an der Arbeit hat. Wir machen jetzt erste Biegungsarbeit, erste Übergänge, das Angaloppieren hat sie auch schon gut geschnackelt. In den letzten Minuten der Arbeit habe ich inzwischen schon ein Pferd, was toll durch den ganzen Körper arbeitet und dann ist sie von der Halsung auch schon ganz gut, aber eben nicht von Anfang an.
Da liest es sich so das es ihr letztlich egal ist, passiert immer wieder, längere Zeiträume. Und das ist meiner Meinung nach BÄH.
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Beitrag von Gast »

Sheitana's letzten Beitrag zu 120% zustimm! Genau so sehe ich das auch! :D
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Sheitana: Natürlich lernen Pferde so – aber nicht dadurch, dass sie sich ihrer Handlungen BEWUSST werden, sondern durch ganz prompte Aktion-Reaktion. Das lernen sie übrigens schon in der Herde und zwar ganz zügig :D
Gast: Da kommen wir nicht zusammen. Ich halte nun mal eine klassische Anlehnung (und damit auch Trense nebst Gebiss) für unabdingbar, um den Spannungsbogen zu bekommen und zu erhalten. Mir ist bewusst, dass es dazu viele andere Auffassungen gibt, die Resultate haben mich bisher aber nicht überzeugen können. Bisher habe ich nämlich nur Pferde gesehen, die bestenfalls den Hals fallen ließen – von korrekter Dehnungshaltung war das so weit entfernt, wie ich vom Grand Prix Reiter.
Und noch mal was zum Zügel bei der Remonte: Natürlich sind diese keine Bremse. Aber ein Führungsinstrument. Und das brauchst Du auch dann, wenn Dir mal der Youngster fröhlich abspackt. Was übrigens in meinem Augen gar nichts mit mangelndem Vertrauen zu tun hat, so was kann halt mal passieren mit einem fröhlichen, Fünfjährigen der jede Menge Power hat. Da dient der Zügel in meinen Augen in der Tat primär dazu, das Tier "in der Spur" zu halten, damit man wenigstens mal einen Zirkel einbauen kann, wenn das gute Tier unter dem Reiter davonrennt. Ach bei meinem Braunen wäre es übrigens tödlich gewesen, an Zügel zur Bremse auch nur zu denken. :wink:
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Gast hat geschrieben: Und über wieviel und wie oft reden wir? Wenn ich es beim ersten Mal merke, stelle ich es doch sofort ab und lasse es nicht mehr dazu kommen, oder?
Hmmm, nein. Ich würde es unter Umständen nicht sofort abstellen.

Beispiel: Ein Pferd hat am Boden schon eine gute Balance und ist jetzt gerade unterm Reiter. Dort fehlt die Balance noch. Es wird den Kopf nicht still halten, mal nimmt es ihn zu hoch, mal kommt es HdS. Das auch nicht nur einmal, sondern öfters. Hier würde ich erstmal nicht korrigieren, sondern das Pferd seinen Weg finden lassen. Fange ich nämlich an zu korrigieren bin ich alle 2 Sekunden dabei, hier zubbeln, da mehr Schenkel, hier wieder korrigieren. Stiftet in meinen Augen mehr Verwirrung, als dass es hilft.
Wenn ich aber merke, dass das Pferd irgendwann anfängt zu denken "mit der Nase HdS ist es bequem, hier kann ich mich verkriechen, hier bleibe ich" dann würde ich das auch korrigieren.
Klar gibt es Argumente, dass man das dann schon vorher hätte merken und korrigieren können. Aber wie gesagt, ich lasse das Pferd lieber selber seine Balance finden und korrigiere lieber nur, wenn es sich auf dem falschen Weg befindet, als ständig jeden kleinsten Fehler. Damit komme ich bei einer jungen Remonte wirklich nicht weit.

@ Cubano Doch, ich bin mir sicher, dass Pferde sich ihrer Handlungen bewusst werden. Wenn man sie lässt und nicht - wie leider oft geschieht - auf Dummheit züchtet.
LG
Sheitana
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Lieschen
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Beitrag von Lieschen »

Gast hat geschrieben: Aber wenn ich Lieschen recht verstehe:
Das Fallenlassen des Halses hat sie, auch durch viele unterstützende Arbeiten vom Boden jetzt gut begriffen. Trotzdem bin ich noch weit davon entfernt, sie in korrekter lehrbuchmäßiger Haltung über die komplette Zeit zu arbeiten, ohne, dass sie immer mal wieder hdS kommt.

Letztlich ist es mir aber auch egal. Wo sich die Stirnlinie befindet, ist ohnehin nur eines von vielen Anzeichen, ob ein Pferd gut gearbeitet wird. Mir ist wichtiger, dass sie inzwischen die ruhige Verbindung an die Hand akzeptiert, beginnt, über den Rücken ans Gebiss heran zu ziehen, bei mir bleibt, mir "zuhört", Spaß an der Arbeit hat. Wir machen jetzt erste Biegungsarbeit, erste Übergänge, das Angaloppieren hat sie auch schon gut geschnackelt. In den letzten Minuten der Arbeit habe ich inzwischen schon ein Pferd, was toll durch den ganzen Körper arbeitet und dann ist sie von der Halsung auch schon ganz gut, aber eben nicht von Anfang an.
Da liest es sich so das es ihr letztlich egal ist, passiert immer wieder, längere Zeiträume. Und das ist meiner Meinung nach BÄH.
Ich verstehe überhaupt nicht, wie man sich daran so aufhängen kann.
Ich habe nie behauptet, dass ich es toll finde, wenn meine Stute hdS läuft. Und selbstverständlich arbeite ich daran, dass sich das gibt.

Aber:
Wenn ein Pferd hdS läuft, ist das ein Symptom für etwas, was seine Ursache in anderen Dingen hat. Nämlich in einem nicht arbeitenden Rücken und einer noch nicht unter den Schwerpunkt tretenden HH. Das eine Pferd hebelt sich nach oben raus, andere Pferde rollen sich eben auf. Meine beiden Pferde zuvor gehörten zu den Sternenguckern, meine Stute jetzt ist schon vom ganzen Gebäude her weniger der Typ Pferd, der sich raushebt, sondern entzieht sich der Arbeit halt zunächst eher mit Aufrollen.

Und an diesen Punkten arbeite ich. Und das geht eben nicht von jetzt auf gleich und schon gar nicht von der ersten Sekunde an, wenn ich aufsteige und losreite. Sobald sie anfängt, besser unter den Schwerpunkt zu fußen und ihren Rücken aufzumachen, wird ihre ganze Halsung auch sofort
besser.

Alles andere, was man mit der Hand machen würde, um sie hochzuholen, halte ich für reines Vertuschen von Symptomen. Davon wird weder die HH noch die Rückentätigkeit besser.

Natürlich könnte ich sowohl die Symptome und die Ursache beseitigen, aber das ist das, was ich damit meinte, dass ich es nicht gut finde, Jungpferde zu überfallen und an allen Baustellen gleichzeitig zu arbeiten. Deswegen nehme ich es hin, dass sie sich auch mal 10 Minuten verkriecht, weil ich weiß, sie kommt von ganz alleine hoch, sobald ich sie an den Hilfen habe. Ich mache mir keinen Kopp um ihre Verkriecherei, weil ich weiß, woran es liegt, ich an den Ursachen arbeite und merke, dass es was bewirkt, was soll ich mich und sie dann stressen?

Sie ist ein Pferd, was alles richtig machen will, sie giert geradezu auf das nächste Lob und wird dann immer gleich 3 Meter größer. Umgekehrt wird sie ganz schnell unsicher, wenn ich ihr das Gefühl gebe, dass irgendwas nicht so gut gelaufen ist. Deswegen versuche ich mich schon gedanklich gar nicht auf die Dinge zu focussieren, die nicht so gut laufen -also das Verkriechen- sondern nehme das auf, was gut läuft. Das überträgt sich immer sehr schön auf sie, ich fahre damit gut.

Und nein, mein Pferd wurde nicht lange longiert zu Beginn ihrer Ausbildung und auch erst recht nicht mit Ausbindern. Sie wurde zur Gewöhnung an den Sattel mal kurz an die Longe genommen und ist dann sobald wie möglich mit einem erfahrenen Führpferd ins Gelände gegangen zum Anreiten. Das ist für mich das ideale Anreiten.

Dieses monatelange Longieren ist absolutes Gift für die Beine. Jungpferde müssen viel geradeaus geritten werden, das geht am besten im Gelände, wo sie auch sonst noch gleich viel an Eindrücken mitnehmen.

ich arbeite ausschließlich am Kappzaum und an der DL. Ausbinden bei Jungpferde finde ich aus verschiedenen Gründen nicht gut. Erstmal nimmt es den Jungpferden den Hals als Balancierstange. Wenn die sich mal erschrecken, dann kann das echt böse Unfälle geben. Und dann presst es die Jungpferde minutenlang in eine Form, die sie noch gar nicht halten können. Man kann ja nicht alle 30 Sekunden die Ausbinder umschnallen.

Meine Stute wird mit 3 geritten, weil sie einfach so weit ist. Sie hat sich tierisch gelangweilt im Sommer in ihrer Arbeitspause. Ich arbeite sie wenig, aber kontinuierlich. Zwischendrin hatte sie immer mal wieder etwas Pause, da wurde sie gleich wieder unausstehlich. Hätte ich gemerkt, dass sie noch nicht so weit ist, wäre sie halt auch den Winter über wieder weggestellt worden.

zum Thema ständigen Kontakt zum Pferdemaul halten noch folgendes Zitat aus dem im Bereich Literatur eingestellten Artikelvon Dr. Thomas Ritter:

Die relative oder bedingte Légèreté dagegen kommt entweder dadurch zustande, dass der Reiter die Zügel so lang anfaßt, dass seine Hand für das Pferd unerreichbar ist und kein Kreislauf der Hilfen entstehen kann, oder dadurch, dass der Reiter sich mit einem halbherzigen Arbeitseinsatz des Pferdes zufrieden gibt. Wenn die Zügel zu lang sind und durchhängen, kann das Pferd keine Anlehnung an der Hand des Reiters nehmen. Damit bleibt ihm zwar einerseits die Möglichkeit versagt, in der Hand ein fünftes Stützbein zu suchen. Andererseits fällt mit der Anlehnung jedoch eine äußerst wichtige Kommunikationsleitung weg, denn der Reiter kann durch den Zügel nicht nur das Maul des Pferdes fühlen, sondern jeden Muskel und jedes Gelenk im Pferdekörper. Eine fehlende Anlehnung hat folglich mit Légèreté nichts zu tun.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Lieschen hat geschrieben: Wenn ein Pferd hdS läuft, ist das ein Symptom für etwas, was seine Ursache in anderen Dingen hat. Nämlich in einem nicht arbeitenden Rücken und einer noch nicht unter den Schwerpunkt tretenden HH. Das eine Pferd hebelt sich nach oben raus, andere Pferde rollen sich eben auf. Meine beiden Pferde zuvor gehörten zu den Sternenguckern, meine Stute jetzt ist schon vom ganzen Gebäude her weniger der Typ Pferd, der sich raushebt, sondern entzieht sich der Arbeit halt zunächst eher mit Aufrollen.

Und an diesen Punkten arbeite ich. Und das geht eben nicht von jetzt auf gleich und schon gar nicht von der ersten Sekunde an, wenn ich aufsteige und losreite. Sobald sie anfängt, besser unter den Schwerpunkt zu fußen und ihren Rücken aufzumachen, wird ihre ganze Halsung auch sofort
besser.

Alles andere, was man mit der Hand machen würde, um sie hochzuholen, halte ich für reines Vertuschen von Symptomen. Davon wird weder die HH noch die Rückentätigkeit besser.

Natürlich könnte ich sowohl die Symptome und die Ursache beseitigen, aber das ist das, was ich damit meinte, dass ich es nicht gut finde, Jungpferde zu überfallen und an allen Baustellen gleichzeitig zu arbeiten. Deswegen nehme ich es hin, dass sie sich auch mal 10 Minuten verkriecht, weil ich weiß, sie kommt von ganz alleine hoch, sobald ich sie an den Hilfen habe. Ich mache mir keinen Kopp um ihre Verkriecherei, weil ich weiß, woran es liegt, ich an den Ursachen arbeite und merke, dass es was bewirkt, was soll ich mich und sie dann stressen?
Definitiv unterschreib. Und ich kapiere auch in 1000 kalten Wintern nicht, warum kein Mensch etwas dabei findet, wenn das Pferd 100 gefühlte Meter VOR der Senkrechten ist, mit dem Rücken im Nirgendwo und der HH im Stall, aber alle Welt gepeinigt aufjault, wenn die Stirn-Nasen-Linie kurzfristig mal ein paar cm HdS kommt.
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Bino
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Beitrag von Bino »

Wenn ein Pferd hdS läuft, ist das ein Symptom für etwas, was seine Ursache in anderen Dingen hat. Nämlich in einem nicht arbeitenden Rücken und einer noch nicht unter den Schwerpunkt tretenden HH. Das eine Pferd hebelt sich nach oben raus, andere Pferde rollen sich eben auf.
Und an diesen Punkten arbeite ich. Und das geht eben nicht von jetzt auf gleich und schon gar nicht von der ersten Sekunde an, wenn ich aufsteige und losreite. Sobald sie anfängt, besser unter den Schwerpunkt zu fußen und ihren Rücken aufzumachen, wird ihre ganze Halsung auch sofort
besser.

Alles andere, was man mit der Hand machen würde, um sie hochzuholen, halte ich für reines Vertuschen von Symptomen. Davon wird weder die HH noch die Rückentätigkeit besser.
An diesem Punkt habe ich einen anderen Ansatz, und zwar den von Baucher beschriebenen, wonach ich die Verspannungen in den Hanken und im Rücken des Pferdes über die Mobilisation des Halses lösen kann. Das hat nichts mit Vertuschung von Symptomen zu tun!
Du versuchst, dein Pferd in der Bewegung über das vermehrte Untertreten zur richtigen Haltung zu bringen. Diese Haltung fällt dem Pferd noch schwer, deshalb rollt es sich ein oder geht über dem Zügel. Mit der Zeit lernt es dann, ins richtige Gleichgewicht zu kommen.
Ich zeige dem Pferd diese Haltung schon am Boden, dann im Sattel im Stand, im Schritt u.s.w. Ich denke schon, dass ich so die Rückentätigkeit positiv beeinflussen kann, zumindest habe ich es so bei anderen Pferden gesehen und bei meinem eigenen gespürt.
Der Tanz ist der Käfig, in dem man fliegen lernt. (Claude Nougaro)
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Ich habe mich jetzt wirklich gaaaanz brav lange zurückgehalten. :wink: Unterschreibe voll bei Lieschen und Cubano.

Theorie ist sehr wichtig, aber Praxis ist gerade in der Pferdeausbildung von erheblich mehr Bedeutung (hat nicht irgend ein alter Meister - Pluvinel? - mal sinngemäß gesagt, dass Reiten die einzige Wissenschaft zu sein scheint, die man nicht durch Studieren, sondern nur durch das Reiten selbst erlernt?).

Ich bin der Meinung, dass man kleinere Fehler durchaus für einige Zeit tolerieren kann, wenn man dabei ist, an den größeren Fehlern zu arbeiten, z. B. an der noch fehlenden Balance unter dem Reitergewicht - das bekommt man niemals durch Bodenarbeit hin. Sobald das Grundgerüst stimmt, kann man dann ans Finetunig gehen.
Das heißt nicht, dass ich eng zugeschnallte Reithalfter und junge Pferde, die bereits in Aufrichtung wie ein S-Pferd gehen und eingerollt sind, auch nur im geringsten toleriere oder gut heiße.
Es gibt aber in der Pferdeausbildung viel mehr als schwarz-weiß, Schablonendenken und hehre Lehrbuchtheorie.

Und nicht jedes Problem kann man durch Longieren und Bodenarbeit lösen. Man kann auch so dermaßen in der Vorbereitung stecken bleiben, dass man nie zum Reiten kommt.

Probleme, die im Verlauf der Ausbildung auftauchen, können ihre Ursache durchaus in den individuellen körperlichen und charakterlichen Gegebenheiten des Pferdes haben. Mit gründlicher Vorbereitung und Arbeiten an der Basis kann man zwar Erfolge erzielen und viele Probleme von vorne herein ausschalten, aber niemals werden unterschiedliche Pferde unter dem selben Reiter zu gleichen Erfolgen kommen.

Anbei hierzu noch ein paar schöne Zitate von Dr. Ritter:
"Kein Reiter ist vor Fehlern gefeit. Selbst die größten Meister begehen immer noch Fehler. Wer keine Fehler macht, lernt nichts. (...) Man kann aus Fehlern sehr viel lernen - und sei es nur, was man vermeiden sollte. (...) Jemand, der krampfhaft versucht, alle Fehler zu vermeiden, wird viele Lerngelegenheiten verpassen und viel langsamer in seiner Reiterei fortschreiten als jemand, der sich nicht scheut, Fehler zu begehen." (S. 34)

"Auch muss der Reiter die individuellen Stärken und Schwächen jedes Pferdes sowie seine Leistungsgrenzen genau kennen, da sich nicht alle Pferde für die höheren Schulen eignen. Das heißt, dass der Reiter einen vierbeinigen Schüler aussucht, der sich für die beabsichtigte Arbeit anbietet. Mit anderen Worten, man sollte nicht versuchen, ein Pferd zum Dressurpferd zu machen, das eigentlich für das Fahren prädestiniert ist. Man sollte nicht versuchen, ein Kaltblut, das dazu geboren ist, schwere Lasten im Schritt und Trab zu ziehen, zu einem Schulpferd auszubilden. Es ist schon schwierig genug, ein sehr talentiertes Pferd bis zu den höchsten Klassen zu fördern. Mit einem Pferd, das kein Talent dafür besitzt, weil es für eine andere Karriere gezüchtet wurde, ist dies nicht nur praktisch unmöglich, es ist auch dem Tier gegenüber unfair. Es zeugt von Unwissenheit und Arroganz des Reiters, der glaubt, sich über die Natur des Pferdes hinwegsetzen zu müssen." (S. 25)
(Was meiner Meinung nach nicht heißt, dass man ein Kaltblut nicht zu einem guten Gebrauchs- und Geländepferd ausbilden kann - meine Erfahrungen mit Kaltblütern haben mir jedoch gezeigt, dass man definitiv mit Einschränkungen leben muss.)

Irgendwer hat vor einiger Zeit etwas zu Arrets beim Anreiten geschrieben. Ich bin der Meinung, dass ein junges Pferd beim Anreiten zunächst eine gewisse Stetigkeit der Hand benötigt, um das Vertrauen in die Hand aufbauen zu können. Mit Stetigkeit meine ich eine weiche Anlehnung bei festgestellter Hand, die eher wie ein Ausbinder wirkt. Ich halte nichts von zu viel Bewegung im Gebiss und zu viel "Gezoppel" bei einem Pferd, das die ersten Monate unter dem Sattel ist.
Abkauübungen am Boden halte ich dennoch für sehr sinnvoll, um dem jungen Pferd die Gewöhnung ans Gebiss zu erleichtern.
Viele Grüße
Sabine
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Yep Max, so sieht es aus.
Allerdings kommt es in meinen Augen auch bei Abkauübungen entscheidend auf das Pferd an. Bei meinem Schimmel, der sich festbiss, haben diese geholfen, bei meinem Braunen, der ohnehin ein ausgesprochen "nervöses" Iberermaul hat, wären sie mE. nach komplett kontraproduktiv gewesen – und dieses Pferd ist auch ein wunderbarer Beweis für Deine These mit der ruhigen, stetigen Hand: Anfänglich habe auch ich versucht, den möglichst am hingegebenen Zügel zu reiten. Das ging vor allem deshalb gar nicht, weil ihn die (bei einem Jungpferd nicht zu vermeidende) Bewegung der Zügel völlig gegen den Strich ging. Selbst bei total ruhiger Hand, holte sich dieses Pferd die Unruhe quasi selbst ab, was ihn dann noch unruhiger machte. Besser wurde es in der Tat, als ich ihm anfänglich eine konsequente aber stetige Anlehnung angeboten habe und ihn von dort aus nach und nach in die Tiefe entlassen konnte. Das Letzte, was bei diesem Pferd in seiner Einrollphase irgendwas Produktives gebracht hätte, wären Arrets gewesen. Da half wirklich nur: abwarten, bis HH und Rücken da sind, dann gibt sich das von allein…
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Jawoll Cubano, da spricht die Praxiserfahrung! :trink1:
Viele Grüße
Sabine
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Tossi
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Beitrag von Tossi »

Bekenne mich mal wieder zur "Pragmatiker-Fraktion" und stimme Cubano, Max, Lieschen etc. zu.

Habe mir heute mal alte Filmchen aus 2007 angesehen. Da war meine Stute 5 Jahre, ca. 15 Monate unterm Sattel, hatte aber gerade eine längere Pause hinter sich (Pferd war gesundheitlich unpässlich). An dem Tag konnte ich zum ersten Mal wieder in die Halle fahren und sie remontenmäßig reiten. Mein Pferd ist ein wahres "Butterflöckchen", immer locker im Genick, wunderbar zu Sitzen und selbst wenn sie richtig spannig im Rücken ist, sieht man das von unten nicht. Sie neigt sehr dazu, hdS zu kommen.

Hier gibt es Bilder: http://picasaweb.google.com/10672749360 ... 2/Sept2007#

Sind alles Screenshots von den Aufnahmen und ich habe bewusst Aufnahmen rausgesucht, in denen sie mir zu tief kommt. Trotzdem war die Übungseinheit ein Traum, ich konnte Tosca zum ersten Mal in der Halle angaloppieren und sie ließ sich nicht von den "gefährlichen Geistern" hinter der Hallenwand einschüchtern.

Wir bauten immer mal wieder Stangen in die Arbeit ein und auch einige Tritte seitwärts (Schulterherein, Schultervor und Travers) waren schon dabei. Sehr früh habe ich auch Tritte im Trab verkürzt, denn das liegt meiner Stute sehr, dagegen sind Trabverstärkungen noch in weiter Ferne.

LG Lisa
Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet. (David Hume)
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