Wieviel Anlehnung muss/soll sein?

Rund um die klassische Reitkunst

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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Colloid hat geschrieben:Ahh, jetzt diskutieren wir. 1. Ich lehne Ausbinder (grade) für junge Pferde ab. Ausbinder bieten keine Anlehnung (s. den sehr schönen Thread in Bodenarbeit).
...das sehe ich nun völlig anders - thread über Bodenarbeit hin oder her. Gerade die Portugiesen legen sehr großen Wert darauf, Ausbinder beim Longieren zu nutzen und variieren die verschiedenen Möglichkeiten (z.B. nur Ausbinder außen) gerne und häufig, was nicht heißt, dass man ein Pferd am Anfang einige Minuten zum Lösen ohne Ausbinder laufen läßt. Aber sobald die Ausbildung an der Longe konkret wird, wird man darauf nicht verzichten, jedenfalls kenne ich keinen erfolgreichen Ausbilder - egal in welchem Lager - der dies täte. Wieder die Frage nach einem Pferd, das ohne Ausbinder longiert und dann ohne oder sagen wir im Wesentlichen ohne Anlehnung ausgebildet wurde und es geschafft hätte, ein höheres Niveau in der Dressurausbildung zu erreichen. Ich kenne nicht ein einziges solches Pferd.
Colloid hat geschrieben: 2. Man kann doch Schwung erst entwickeln, wenn die Balance des Pferdes unterm Reiter hergestellt ist, dazu würde ich ein junges Pferd eher untertourig arbeiten, also erstmal auf Schwung verzichten, zugunsten der Balance. Hat das Pferd die Balance gefunden, muss es sich nicht abstoßen, es trägt sich selbst undkann dann Schwung entwickeln.
Ganz so einfach ist es wohl nicht. Schwung und Balance bedingen sich gegenseitig. Wenn man sein Pferd grundsätzlich untertourig reitet, verliert oder ruiniert man schnell die in der Natur der meisten Pferde liegende Vorwärtstendenz. Beides ist nötig, vorwärts reiten und Tempo herausnehmen.
Colloid hat geschrieben:Das war mal der Sinn und Zweck eines Turniers...ist das heute wirklich noch so? Ich glaube dazu gewinnen dann doch zuviele zusammengezogene Pferde...wie gesagt, viele hätten bei A schon aufhören sollen.
Da stimme ich Dir zu. Turniere dienen leider häufig nur dazu, das der Reiter sich selbst beweist, ob er besser ist als der Kollege nebenan. Allerdings kann ich in den Veranstaltungen der FN-Kritiker auch keine Fortschritte in dieser Hinsicht erkennen.
Zuletzt geändert von Steffen am Mi, 11. Okt 2006 12:09, insgesamt 1-mal geändert.
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

Steffen hat geschrieben:
Janina hat geschrieben: Für mich wäre allerdings das Erscheinen eines bestimmten Buchstabens an der Bande kein Kriterium dafür ;)
für mich schon..., bei der Ausbildung geht es eben darum, dass der Reiter in der Lage sein soll, die verlangte Lektion beim Pferd abzurufen. Es geht nicht darum, irgendwie zu reiten und dann darauf zu warten, dass das Pferd an einem Ort seiner Wahl sich vielleicht dazu entschließt, die Lektion zu zeigen. Gerade in diesem Punkt ist der Oliveira Schüler Barbier völlig kompromisslos. Er empfiehlt, sich bei einem gewünschten Punkt eine tiefe Schlucht vorzustellen, wenn das Pferd nicht genau am Punkt anhält. Genaues Reiten ist nichts anderes als der Nacheis, dass die Kommunikation funktioniert. Auch an Instituten wie Wien, wird auf diese Genauigkeit allerhöchster Wert gelegt.
Frage: Du würdest also Genauigkeit VOR den Punkt setzen, dass das Pferd noch nicht soweit ist. Will sagen: Bei A willst Du das "Überstreichen" reiten und Dein Pferd ist mit der Balance noch nicht soweit (nicht ausbildungstechnisch, sondern gerade in DEM Moment) - Reitest Du trotzdem das "Überstreichen"??
Es geht ja nicht darum, dass ich auf eine Reaktion vom Pferd "warte" bis die Stunde um ist. Das Punktgenaue Reiten ist für mich persönlich erstmal zweitranging.. Sicher trampeln wir nicht irgendwie in der Bahn rum und harren der Dinge die da kommen. Aber wenn ich merke, das in meinem Pferd was nicht stimmt, sei's Balance, sei's Losgelassenheit, dann arbeite ich erstmal daran und verlange das halt eine halbe Runde später nochmal.. Ich bin mir ziemlich sicher, wenn ich trotz dieser fehlenden Grundlagen, von meinem Pferd die Lektion auf diesem EINEN Punkt verlangt hätte, dass das ein Vertrauensbruch wäre, weil das Pferd dann noch größere Probleme hat als vorher..
Deswegen ist es ja eine AUSBILDUNG, eben weil noch nicht alles paßt und stimmt. Das punktgenaue Reiten habe ich im Hinterkopf, aber dafür sind sehr viele andere Dinge erst zu lernen, bevor ich mir persönlich den Kopf darüber zerbreche ob ich das bei A oder C genau hinbekomme.. Wichtig ist mir da erstmal nur, dass es "fließt"..
Genauigkeit ist wichtig, das steht außer Frage. Die Frage ist nur, wann mein Pferd und ich dazu in der Lage sind wirklich genau zu reiten?

Das Nachgeben ist absolut das zentrale Ausbildungsthema in der klassischen Dressur und auch bei (guten) FN Ausbildern. Allerdings nicht - und das ist der Unterschied - unter Inkaufnahme des Verlusts von Schwung und Aktivität der Hinterhand.
Wieso nehmen die Nicht-FN'ler den Verlust des Schwungs und der HH-Aktivität in Kauf wenn sie "nachgeben"? Rieche ich Polarisierung??

LG Alix
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Alix_ludivine hat geschrieben:Aber wenn ich merke, das in meinem Pferd was nicht stimmt, sei's Balance, sei's Losgelassenheit, dann arbeite ich erstmal daran und verlange das halt eine halbe Runde später nochmal.
..., aber damit sagst Du nichts anderes, als dass die von Dir gewählte Ausbildungsmethode offensichtlich dazu führt, dass dein Pferd gerade nicht losgelassen und ausbalanciert ist, wenn Du eine Lektion nicht am Punkt ausführen kannst. Und genau darum geht es. Wenn eine Lektion am Punkt ausgeführt werden kann, dann bedeutet das, dass der Reiter offensichtlich in der Lage ist, dass Pferd entsprechend losgelassen und ausbalanciert zu reiten, ansonsten wird sie nämlich nicht gelingen.

Verzichtet man darauf, dies anzustreben, hat man innerlich schon aufgegeben, das Pferd entsprechend losgelassen, ausbalanciert und damit durchlässig zu arbeiten. Bei allen Lektion, angefangen mit der Volte, ist eine absolut korrekte und genaue Ausführung unbedingt notwendig, um zu überprüfen, ob das Pferd in dem Moment, wo die Lektion abgerufen war, den von uns allen angestrebten Zustand erreicht hat. Ich kann nur empfehlen auf dieses Ziel auf keinen Fall zu verzichten. :wink:

Allerdings glaube ich gerne, dass es sehr schwierig ist, ein Pferd ohne Anlehnung auszubilden und trotzdem den angestrebten Zustand von Losgelassenheit und Balance zu erreichen, damit das Pferd die geforderte Lektion am Punkt ausführt. Genau das zeigen ja auch alle Beispiele in der Praxis :twisted:
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
Manfred

Beitrag von Manfred »

Steffen hat geschrieben:Das Ziel ist - zumindest bei denen, die sich bisher an diesem Thema beteiligen - grundsätzlich gleich. ALLE wollen ein Pferd, das sich unter dem Reiter im Gleichgewicht und in Selbsthaltung befindet. Alle wollen mit möglichst wenig sichtbaren Hilfen das Pferd möglichst selbständig und freudig arbeiten lassen. ALLE wollen, dass Pferd und Reiter Spaß haben und dass das Ganze den großen Vorbildern, die jeder im Kopf hat, möglichst nahe kommt.
Diese Verallgemeinerung möchte ich nicht teilen und nehme mich zumindest davon aus. Für mich steht das Tier mit seinen Bedürfnissen im Vordergrund. Insofern möchte ich es ihm so angenehm wie möglich machen und es unterstützen in dem was es mir von sich aus anbietet.

Genau darum tue ich mich ja so schwer damit ihn in eine bestimmte Form zu pressen (siehe Ausbinder). Am liebsten würde ich ihm den Weg zeigen, den Jen beschrieben hat, wenn ich nur genau wüsste wie, damit er Entspannung im Rücken erfährt und diesen eben nicht mehr wegdrückt, was ja unangenehm für ihn ist.

Es ist mir auch egal, welche Anlehnung dazu von irgendwelchen Vorbildern empfolen wird. Ich werde nur das tun, wo ich das Gefühl habe, dass es von meinem Pferd auch angenommen wird. Sobald es sich dagegen auflehnt oder nur noch widerwillig mitarbeitet, werde ich das auch nicht länger von ihm verlangen.

Ich geh da ganz konform mit der Ansicht von Stromboli. Weder die Pferde noch die Menschen sind alle gleich. Daher gilt es die jeweiligen Neigungen und Stärken zu finden und sie zu fördern und nicht jedem individuum eine Schablone überstülpen, damit das erklärte Ziel erreicht wird.

Mein Ziel ist eine vertrauensvolle Partnerschaft bei der sich beide wohlfühlen und Freude an dem gemeinsamen tun haben. Wenn es meinem Pferd also nicht gefällt, dass ich auf ihm reite, dann werde ich es auch nicht tun, um dies mal ganz deutlich zu sagen. Bislang ist er mit mir auch noch nicht gegangen (er bleibt stehen, wenn ich aufgesessen bin) und ich werde ihn auch nicht dazu zwingen.

Vom Boden aus können wir fast alles zusammen machen und er hat Spaß bei der Arbeit. Und er trägt auch gerne Kinder, wenn ich ihn führe. Insofern hat er noch ein Problem damit, seinen Balance unter mir zu finden, wenn ich ihn mit fast 100 kg im Kreuz belaste, was ich gut verstehen kann.

Sicher könnte ich ihn zusammenschnallen und gewaltsam vorwärtstreiben, damit er sich überwindet und lernt mich zu tragen. Doch damit wäre ich kein Stück besser als die FN-Trainer aus meiner "traumatischen" Vergangenheit, die immer ihre Ziele erreicht haben. Die Leidtragenden waren aus meiner Sicht dabei immer die Pferde.

Sie wurden zweijährig (als "Kleinkinder") schon an die Arbeit herangeführt und dreijährig angeritten. Dazu wurden sie täglich gesattelt, aufgetrenst und ausgebunden longiert. Ich habe mit ansehen müssen, wie sie regelrecht gezwungen wurden unter diesen Umständen ihr Gleichgewicht zu finden. Entsprechende Stürze waren an der Tagesordnung. Dieses Drama nahm dann seinen Lauf unter dem Sattel, solange bis das jeweilige Ziel des Trainers erreicht war und entsprechende Preise auf Turnieren dies dann auch bestätigten.

Wie es dem Pferd dabei ging, ... danach wurde nicht gefragt. Nicht selten hat es versucht seine Peiniger abzubuckeln etc. und wurde dafür bestraft. Schlussendlich hat es sich den Wünschen der Menschen unterworfen und solange Arbeit geleistet, bis es auf die Weide wieder entlassen wurde.

Was für ein armseliges Pferdeleben muss das sein!
Davon möchte ich mich ganz klar distanzieren.

Gruß
Manfred
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Medora
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Beitrag von Medora »

Nochmal einige andere Gedanken dazu:

Die Idee der stetigen Anlehnung (ebenso wie Zwangsmittel alà Ausbinder & Co) basiert meiner Meinung nach auf dem Bedürfnis des Menschen nach (dauerhafter) Kontrolle. Dahinter steckt meiner Ansicht nach wiederum die Angst vor dem Loslassen (ganz real, aber auch in Bezug auf die Folgen). Schon so eine Formulierung, dass dann das Pferd "auseinanderfallen" könnte, ist doch grotesk - kein Pferd "fällt auseinander". Es kann bestens ohne uns laufen. Das "Auseinanderfallen" ist allein eine Folge von vorherigem Zusammenschnüren, also ein Fehler, der beim Reiter liegt. So seh ich das jedenfalls. Genauso halte ich auch die Aussage, dass man Ausbinder einsetzen muss, um ein Pferd erfolgreich auszubilden, für nicht haltbar. Wäre es so, hätte die Natur dem Pferd so etwas wachsen lassen.

Warum glauben wir Menschen nur immer, dass nichts ohne uns funktionieren kann und übersehen dabei, dass viele Probleme nur durch uns entstehen?

Tatsache ist doch, dass Pferde all das bereits können, was wir von ihnen sehen wollen. Jedes Fohlen zeigt vollkommen natürlicherweise ein Schulterherein (in Selbsthaltung und mit Untertreten), wenn es beim Laufen etwas Interessantes sieht. Es denkt nicht darüber nach, es tut es einfach. Ebenso schlägt es die sprichwörtlichen Kapriolen, wenn es übermütig oder lustig genug ist. Deshalb glaube ich nach wie vor, dass der Irrglaube da ansetzt, dass wir denken, wir müssen/können dem Pferd etwas beibringen. Ich glaube viel mehr, dass das Ziel der Ausbildung sein müsste, das Pferd nicht in seinem Können zu stören...

Für mich geht es bei dem Thema hier um Kommunikation - sprich um die Frage: wie kann ich mich einem Pferd so verständlich machen? Wie können wir gemeinsam das tun, was ihm eh eigen ist? Wie kann ich mich in das Bild einfügen, ich, der ich der Fremdkörper bin?

Die Zügel sind für mich keine Telefonschnur (= Dauerkontakt), sondern eine (der vielen verschiedenen) Gesprächsmöglichkeiten. Und so, wie ich im Beisein mit anderen auch mal den Mund halte, wenn es nichts zu sagen gibt, muss ich auch nicht ständig was am Zügel machen, wenn alles gut läuft.

Ich habe meinen Hafi über einige Jahre "klassisch geritten". Er war dabei nach Einschätzung vieler "echt klasse ausgebildet" - lief Seitengänge, Traversalen und pipapo. Ziel war u.a. auch eine stetige, leichte Anlehnung. Himmel, was haben wir daran gearbeitet und für welch einen hohen Preis. Was ich bei alledem aber z.B. nie geschafft hatte war, dass mein Pferd nach dem Reiten geschlossen stand (geschweige denn, dass er glücklich und stolz war). Zur Zeit reite ich ihn nun weitestehend zügellos - der Zügel wird nur angefasst, wenn ich einen Impuls geben muss, ansonsten lass ich ihn in Ruhe. Das Irre daran: JETZT tritt er unter und zwar wirklich (weil von sich aus!). Wenn ich jetzt vom Reiten komme und absteige, habe ich ein Pferd, das mehr als geschlossen steht. Das hatte ich vorher mit allem Getue nicht erreicht. Und den Grad der Zufriedenheit, den man jetzt oft in seinem Gesicht sehen kann, auch nicht.

Mein ganz persönliches Fazit ist deshalb: wir machen viel zu viel. Und dieses viel zu viel macht es den Pferden so schwer, sich selbst zu tragen. Wir sind es, die die Pferde darin stören, sich natürlich zu bewegen. Sie müssen nicht das Laufen lernen, sondern sie müssen lernen, trotz uns zu laufen.

Grüßle,
Medora
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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

@Steffen
Also bis eben habe ich Dich ja noch gemocht.
..., aber damit sagst Du nichts anderes, als dass die von Dir gewählte Ausbildungsmethode offensichtlich dazu führt, dass dein Pferd gerade nicht losgelassen und ausbalanciert ist, wenn Du eine Lektion nicht am Punkt ausführen kannst.
So ein Quatsch! Was hat das mit meiner Ausbildungsmethode zu tun, wenn ich mich - in der Ausbildungsskala gesprochen bei Takt, Losgelassenheit und Anlehnung (was auch immer noch damit gemeint ist) befinde?? Soll ich mein Pferd in einen Übergang reinpoltern lassen, bloß damit ich das an einem Punkt geritten bin?? Kann ich meinem Pferd nicht noch zwei Monate Zeit lassen und dann reite ich den Übergang an genau DIESEM Punkt und das auch flüssig, ohne zu poltern??
Wenn eine Lektion am Punkt ausgeführt werden kann, dann bedeutet das, dass der Reiter offensichtlich in der Lage ist, dass Pferd entsprechend losgelassen und ausbalanciert zu reiten, ansonsten wird sie nämlich nicht gelingen.
Und das muss erstmal gelernt sein, oder konntest Du das Deinem Pferd mal eben so in die Birne laden???
Verzichtet man darauf, dies anzustreben, hat man innerlich schon aufgegeben, das Pferd entsprechend losgelassen, ausbalanciert und damit durchlässig zu arbeiten.
Gut, zu den Reitern gehöre ich ja nicht, weil ich oben schon geschrieben habe, dass ich das punktgenaue Reiten noch im Hinterkopf habe..
Bei allen Lektion, angefangen mit der Volte, ist eine absolut korrekte und genaue Ausführung unbedingt notwendig, um zu überprüfen, ob das Pferd in dem Moment, wo die Lektion abgerufen war, den von uns allen angestrebten Zustand erreicht hat.
EBEN, den angestrebten Zustand und den kannst Du nicht voraussetzen, sondern zu diesem Zustand gehört eine Basis und wenn diese Basis nicht stimmt, dann auch keine gute Volte..
Allerdings glaube ich gerne, dass es sehr schwierig ist, ein Pferd ohne Anlehnung auszubilden und trotzdem den angestrebten Zustand von Losgelassenheit und Balance zu erreichen, damit das Pferd die geforderte Lektion am Punkt ausführt.
3 Möglichkeiten:
1. Du willst es nicht kapieren
2. Du kannst es nicht kapieren
3. Du schiebst Frust..
Zum zigsten Mal - Anlehnung ist ein ganz feiner toller Begriff, der zum Glück so geschaffen ist, dass er weeeeeit interpretierfähig ist. Ich wähle den Begriff "Kontakt", weil er eben den Begriff "Anlehnung" für mich besser/genauer beschreibt. Ich will keine AnLEHNUNG in dem Sinne, was aber nicht heißt, dass ich am langen Zügel durch die Gegend hopse und mich wunder, warum zum dritten mal der gleiche Buchstabe an mir vorbeizieht und der Gaul immer noch nicht steht... :roll:
Genau das zeigen ja auch alle Beispiele in der Praxis
ALLE Beispiele??
Junge, Du nimmst den Mund ganz schön voll und mußt aber auch ganz schön rumgekommen sein....

Alix
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

@ alix: bleib locker, natürlich war das etwas provoktiv :twisted: ,
ich verstehe einfach nicht, warum die Forderung der FN, eine Lektion möglichst am Punkt zu reiten als so negativ bewertet wird. Wer sagt denn, dass die FN verlangt, man solle auf Losgelassenheit verzichten. Das ist doch völliger Unsinn, und nur darum habe ich so provokativ geantwortet. Eine Lektion, die unter Verzicht auf Losgelassenheit unter Zwang hingedrückt wird, gelingt nicht und sollte entsprechend bewertet werden. Wenn Du mir jetzt erzählst, dass bei FN Tunieren immer die gewinnen, die ihre Pferde ohne Losgelassenheit und völlig verspannt präsentieren gehst Du entweder auf die falschen Veranstaltungen oder betreibst deinerseits schlimmste Polarisierung.

Es geht doch darum, den richtigen Weg zu finden bzw. darüber zu diskutieren. Wenn man behauptet, ein Pferd könne viel besser unter (weitgehendem) Verzicht von Anlehnung (und z.B. Ausbindern beim Longieren etc etc) ausgebildet werden, kann es doch nicht verwerflich sein, sich einmal danach zu erkundigen, wo dieses gewagte Experiment denn wirklich zum Erfolg geführt hätte. Es kann doch nicht richtig sein, die gesamte etablierte Dressurausbildung der letzten Jahrhunderte in Frage zu stellen oder als falsch zu bezeichnen und sich dabei ausschließlich auf eine schöne Theorie zu berufen. Im Umkehrschluss ist das doch eine schallende Ohrfeige für alle Praktiker, die sich jahrelang mit der Ausbildung von Pferden beschäftigen, bis sie diese dann wirklich auf ein hohes Niveau erreichen. Denen erzählst Du jetzt, das war alles falsch mit der Anlehnung, das geht ohne viel besser? Zwar kannst Du keine Beispiele aufzeigen, aber das soll man dann eben einfach mal glauben, weil es sich in der Theorie ja so schön anhört? Damit willst Du überzeugen?
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

Steffen hat geschrieben:@ alix: bleib locker, natürlich war das etwas provoktiv :twisted:
Das war nicht provokativ, sondern negativ..
ich verstehe einfach nicht, warum die Forderung der FN, eine Lektion möglichst am Punkt zu reiten als so negativ bewertet wird.
Ich bewerte das nicht als negativ ( :roll: ) sondern als erstrebenswert..
Wer sagt denn, dass die FN verlangt, man solle auf Losgelassenheit verzichten.
FN?? Habe ich wieder irgendwo die FN beleidigt??
Eben weil man nicht auf die Losgelassenheit verzichten will/kann/darf/soll, deswegen setze ich das Punktgenau an zweite Stelle.. Was ist daran so tragisch?
Wenn Du mir jetzt erzählst, dass bei FN Tunieren immer die gewinnen, die ihre Pferde ohne Losgelassenheit und völlig verspannt präsentieren gehst Du entweder auf die falschen Veranstaltungen oder betreibst deinerseits schlimmste Polarisierung.
Werde ich Dir nicht erzählen, weil ich kein Schubladendenken betreibe..
Es gibt überalle negative und positive Beispiele, wie Du ja weißt.. :twisted:
Denen erzählst Du jetzt, das war alles falsch mit der Anlehnung, das geht ohne viel besser?

**AlixsichheulendaufdenBodenwirft**

ICH HABE NIE GESCHRIEBEN, DASS ICH OHNE ANLEHNUNG REITE!!!!!!!
Ich nehme mir nur die Freiheit Anlehnung als Kontakt umzuformulieren, weil mir der Begriff besser paßt..
Zwar kannst Du keine Beispiele aufzeigen, aber das soll man dann eben einfach mal glauben, weil es sich in der Theorie ja so schön anhört?
Was soll ich denn noch an Beispielen aufzeigen? Du kennst doch eh schon alle...

Alix
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Jen
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Beitrag von Jen »

Steffen hat geschrieben:
Colloid hat geschrieben:Ahh, jetzt diskutieren wir. 1. Ich lehne Ausbinder (grade) für junge Pferde ab. Ausbinder bieten keine Anlehnung (s. den sehr schönen Thread in Bodenarbeit).
...das sehe ich nun völlig anders - thread über Bodenarbeit hin oder her. Gerade die Portugiesen legen sehr großen Wert darauf, Ausbinder beim Longieren zu nutzen und variieren die verschiedenen Möglichkeiten (z.B. nur Ausbinder außen) gerne und häufig, was nicht heißt, dass man ein Pferd am Anfang einige Minuten zum Lösen ohne Ausbinder laufen läßt. Aber sobald die Ausbildung an der Longe konkret wird, wird man darauf nicht verzichten, jedenfalls kenne ich keinen erfolgreichen Ausbilder - egal in welchem Lager - der dies täte. Wieder die Frage nach einem Pferd, das ohne Ausbinder longiert und dann ohne oder sagen wir im Wesentlichen ohne Anlehnung ausgebildet wurde und es geschafft hätte, ein höheres Niveau in der Dressurausbildung zu erreichen. Ich kenne nicht ein einziges solches Pferd.
oh doch, da kenne ich sogar mehrere. Und die perfekteste Piaffe, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe ist erst gerade zwei Wochen her, von einer begnadeten Reiterin mit ihrem Lusitano. Sie arbeitet vollkommen Hilfszügellos und mit sehr feiner, manchmal durchhängender Verbindung. Das Pferd war vollkommen losgelassen, nicht den Hauch eines Schweifzuckens und trotzdem war das Pferd schwungvoll und hat die Piaffe im Takt einer Passage kraftvoll aber vollkommen ruhig durchgetreten. Einfach faszinierend. Galopp-Schrittübergänge vom feinsten, Galopp-Pirouette etc. Nur weil du noch nie so ein Pferd gesehen hast, heisst das noch lange nicht, dass es das überhaupt nicht gibt ;) Und glaub mir, ich bin verd... heikel. Da braucht's viel, um mich zu solchen Begeisterungsstürmen hinreissen zu lassen. ;)

Tatsache ist aber auch, dass "ich" noch nie ein Pferd mit Ausbindern wirklich korrekt an der Longe gehen gesehen habe! Ich würde es gerne mal sehen, aber bis ich das noch nie habe, kommen garantiert keine solcher Dinger an meine Pferde. Die Ziele, welche ich von dem Longieren erwarte, erreiche ich auch ohne. und ganz ehrlich, der Satz, über den ich beim Barbier gestolpert ist, ist der:

"Allerdings gibt es einige seltene Ausnahmen unter den Pferden, die man niemals mit Ausbindern longieren darf, beispielsweise Tiere mit bestimmten Rückenproblemen. Hier beschwören die mentalen Probleme, die daraus entstehen, mehr Gefahr herauf, als durch den physischen Nutzen wieder ausgeglichen werden kann. Ein Pferd mit einem schwachen Rücken muss häufig und langsam longiert werden."


Und sein Ziel beim Longieren ist ja auch, dass das Pferd eine gutes Gleichgewicht, sowie Selbsthaltung findet:

"Die Ausbinder werden dann allmählich etwas durchhängen, weil das Pferd anfängt, seine eigene gute Haltung zu finden."


Colloid hat geschrieben: 2. Man kann doch Schwung erst entwickeln, wenn die Balance des Pferdes unterm Reiter hergestellt ist, dazu würde ich ein junges Pferd eher untertourig arbeiten, also erstmal auf Schwung verzichten, zugunsten der Balance. Hat das Pferd die Balance gefunden, muss es sich nicht abstoßen, es trägt sich selbst undkann dann Schwung entwickeln.
Ganz so einfach ist es wohl nicht. Schwung und Balance bedingen sich gegenseitig. Wenn man sein Pferd grundsätzlich untertourig reitet, verliert oder ruiniert man schnell die in der Natur der meisten Pferde liegende Vorwärtstendenz. Beides ist nötig, vorwärts reiten und Tempo herausnehmen.
Vorwärts ist nicht gleich Tempo, Tempo ist nicht gleich Schwung.

Übergänge am Punkt reiten, Linien präzise reiten etc. finde ich jetzt auch keine abartige Forderung, die nach einer systematischen Grundausbildung ganz besonders schwer durchzusetzen wäre. Ich kann dies durchaus auch mit meinem Pferd und da hat sogar der vorhin zitierte Hr. Hinrichs, der bekannt dafür ist, wie sehr er darauf Wert legt, absolut nix auszusetzen gehabt. Genausowenig wie er etwas an der Art Zügelkontakt von mir bei meinem Pferd auszusetzen gehabt hatte. Er hat selber gesagt, dass die Basis bei uns stimme und diese Arbeit von Branderup die Pferde schön locker und geschmeidig mache. Und er ist wahrlich kein besonderer Fan von BB, das weiss ich genau. Aber ehrlich ist er.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
Manfred

Beitrag von Manfred »

Medora hat geschrieben:Ich habe meinen Hafi über einige Jahre "klassisch geritten". Er war dabei nach Einschätzung vieler "echt klasse ausgebildet" - lief Seitengänge, Traversalen und pipapo. Ziel war u.a. auch eine stetige, leichte Anlehnung. Himmel, was haben wir daran gearbeitet und für welch einen hohen Preis. Was ich bei alledem aber z.B. nie geschafft hatte war, dass mein Pferd nach dem Reiten geschlossen stand (geschweige denn, dass er glücklich und stolz war). Zur Zeit reite ich ihn nun weitestehend zügellos - der Zügel wird nur angefasst, wenn ich einen Impuls geben muss, ansonsten lass ich ihn in Ruhe. Das Irre daran: JETZT tritt er unter und zwar wirklich (weil von sich aus!). Wenn ich jetzt vom Reiten komme und absteige, habe ich ein Pferd, das mehr als geschlossen steht. Das hatte ich vorher mit allem Getue nicht erreicht. Und den Grad der Zufriedenheit, den man jetzt oft in seinem Gesicht sehen kann, auch nicht.
Sehr schön Medora,

genau das versuche ich gerade bei Undine auch und mache ähnliche Erfahrungen. Je freier ihr Kopf wird desto mehr Schwung kommt auf. Sie senkt sogar selbst den Kopf dabei.

Zwar ist sie noch etwas irritiert, weil ihr die gewohnte Anlehnung an den Zügel fehlt aber gleichzeitig ist sie aufmerksamer auf die Hilfen, die von mir kommen. Dabei merkte ich dann auch, dass ich mit meiner Hüfte noch deutlichere Signale zum Abwenden geben muss etc.

Wir sind also an einem Punkt angekommen wo Kommunikation wieder stattfindet und nicht nur gewohnte Befehle ausgeführt werden. Susanne lässt mich ja viel freihändig mit ihr reiten. Dann sollte sie sich auch nur über einen Halsring reiten lassen, denke ich.

Also Anlehnung über Kommunikation, die verstanden und positiv beantwortet wird. Weg von den diagonal treibenden Hilfen gegen die Hand, hin zu einer mitgehenden Bewegung im Einklang mit dem Pferd.

Das ist auch mein Weg und ich hoffe sehr, dass ich mich damit nicht auf einem "Holzweg" befinde. Jedenfalls konnte ich schon feststellen, dass die Pferde, denen ich so begegne sehr positiv darauf reagieren.

Insofern möchte ich als Beispiel nur ungern beim Longieren im Mittelpunkt des Zirkels als Anlehnung stehen bleiben. Vielmehr habe ich das Bedürfnis mich mit dem Pferd im Gleichtakt zu bewegen (auf der inneren Bahn mitzugehen).

Im Gelände finden sowohl Antares und Undine an meinen Bewegungen eine Anlehnung. Sie halten das Tempo bei durchhängendem Führseil. Ja sie stoppen auch ohne einfach weiterzulaufen, wenn ich anhalte.

Allerdings fordert Antares mich schon gerne mal auf etwas schneller zu werden, weil er gerne laufen möchte. Dazu dreht er sich kurz zu mir um und trabt ein paar Schritte vor. Folge ich, dann laufen wir beide zusammen weiter, bleibe ich zurück, stoppt er auch wieder ab.

Was will ich denn mehr?
Manfred
Zuletzt geändert von Manfred am Mi, 11. Okt 2006 14:41, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitrag von Colloid »

Jen , ich finde das toll, daß du für mich antwortest... :mrgreen:
*Colli grade beschlossen hat, Jen unbedingt mal zu besuchen und bei ihr Unterricht in Bodenarbeit zu nehmen*
Steffen: Ausbilder, die ohne Ausbinder arbeiten: Bent Branderup, Philippe Karl, um mal nur 2 zu nennen...daß die bis in die höchsten Klassen ausbilden, wirst du wohl anerkennen...
:wink:
LG
Colloid
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Isomer
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Beitrag von Isomer »

Bent Branderup, Philippe Karl, um mal nur 2 zu nennen...daß die bis in die höchsten Klassen ausbilden, wirst du wohl anerkennen...
Ich wage es zu bezweifeln das Steffen diese Klassen meint, sondern eher die Reiter die um sportlichen Erfolg "ringen". Diese beiden Ausbilder unterrichten Freizeitreiter die keine Chance im Punktesystem der Sportwelt hätten, das ist denke ich unbestritten. Aber sind diese Systeme schlecht weil sie nicht erfolgreich im Sport sind? Ich denke nicht!

Gruß Isomer
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Beitrag von Colloid »

Isomer: (auch Chemiker ;) ? )
Da ich im ganzen "Sport" nicht einen einzigen Reiter/in kenne dessen Art zu Reiten und dessen Ausführung der Lektionen mir gefallen würden (selbst Hubertus Schmidt ist nur das geringste Übel), finde ich dort auch nicht ein einziges Vorbild.
Im Gegenteil, so will ich es garantiert nicht machen.
Und was diese Leute als gute "Leistung" bezeichnen, erzeugt bei mir eher Übelkeit...
LG
Colloid
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Beitrag von horsman »

@Colloid
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Beitrag von Isomer »

@Colloid Noch schlimmer ich bin Biologe :lol:

Diesen unterdrückten Brechreiz teile ich auch. Das gilt aber auch für die Sportreiter wenn sie sich die "bekloppten" Freizeitreiter ansehen und genau deshalb wird es kaum einen Konsens geben weil jeder ein andern Maßstab anlegt.


LG Isomer
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