Immer nur "lieb, lieb"

Rund um die klassische Reitkunst

Moderatoren: Julia, ninischi, Janina

Motte
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Beitrag von Motte »

Gut Phanja,

Wenn ich von Ungehorsam spreche, dann ist natürlich die Voraussetzung dafür, dass das Pferd das eigentlich kann. Also, dass das Kommando oder was auch immer, eigentlich sitzt.
Ungehorsam ist ja nicht, etwas nicht auszuführen, was man nicht kann - jedenfalls in meiner Welt nicht. Und richtig - DA hilft auch kein "Druck" :wink:
Ich dachte ja eigentlich, dass sei klar - von daher glaube ich immer noch nicht, dass wir tatsächlich sooo weit auseinanderliegen.

Ein Beispiel für Ungehorsam hat beispielsweise amara gegeben, mit der Beschreibung, wie ihr Hengst auf die Stute reagiert hat.
Da ist der Grund völlig klar, da braucht's kein "was steckt wohl dahinter?".
Und es ist dann eigentlich auch egal WARUM er das macht. Weil: das Wissen darum ändert ja nix. Er hat das schlicht und einfach zu lassen, und klar, muss amara da erst mal den Druck verstärken, damit der Herr bei ihr bleibt. Was auch sonst?
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cinnamon
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Beitrag von cinnamon »

marquisa hat geschrieben:Das Beispiel mit der Ratte ist zwar anschaulich im Sinne von ausschließlich positiver Verstärkung,dennoch hinkt der Vergleich:
Wenn die Ratte halt mal nicht auf diesen Reiz anspringt,wird sie gegen die nächste ausgetauscht.
Mein Pferd hab ich aber nun mal.
weißt du, wie teuer blinden- oder diabetikerwarnhunde sind? die tauscht man nicht eben mal so aus ;-) natürlich wird da vorselektiert in sachen eignung, aber das tut man beim pferd genauso, je nachdem, in welcher sparte man fuß fassen möchte.
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

eine spannende diskussion.
ich bin ganz bei phanja.

was mir bei den "anderen" :-) gefällt, ist der intent, die klare idee, was bei der arbeit raiskommen muss. da habe ich noch ein bisschen nachholbedarf und ich schätze, das wird meinem pferd gefallen.

ich bin jahrzehntelang volblüter geritten. mein eigener blüter ist jedesmal weit über seine köperlichen grenzen gegangen, um meien ansprüche gut zu erfllen, wenn ich gut gearbeitet hatte. das ist mir sehr im kopf und im herzen geblieben. ich glaube, ich habe - velleicht dadurch und durch men aktuelles pferd bedingr - einfach ein anderes bild vom pferd im kopf.

wobei ganz schwere sachen, wie ihr sie anspracht noch nicht vorkamen. das kann man dann als spielerei abtun. das ist legitim! war und ist es für mich aber nicht. mein ziel ist einfach, das wird mir immer mehr klar, die dinge, die iuch machen will, "lieb, lieb" (wie ihr sagen würdet ;-( ) zu machen. mal sehen wo es mich hinführt. ganz wenige leute reiten ja wirklich diese schweren dinge, die ihr ansprecht, ich weiß, dass ein paar von euch das tun.

danke für eine tolle diskussion!!!
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

:wink:[/quote]

Wenn das Pferd auf die Hilfengebung nicht richtig vorbereitet ist, habe ich vorher schon einen Fehler gemacht, den ich durch Hilfengebung hätte abstellen müssen. Insofern - ist das Pferd schlecht vom Reiter vorbereitet, kann es nicht optimal auf die gegebenen Hilfen reagieren. Was bedeutet, dass man in dem Moment etwas verlangt, was das Pferd gar nicht "gut" ausführen kann.

:wink:[/quote]

Guten Morgen,

da hätte ich ein klares JEIN dazu.

Meine Hilfengebung soll das Pferd auf die Lektion vorbereiten und helfen, die Lektion bestmöglich auszuführen.

Gestern, IM Galopp habe ich die Beinhilfe noch mal etwas verstärkt, und siehe da, erst gab es Protest und dann ging es noch mal besser!

Den Protest habe ich aber nicht gestraft, denn ich weiss, sie hat nur so viel gegeben, wie ich "Geholfen" habe.

Verstärke ich meine Hilfe, ärgert sie sich kurz und macht es dann aber besser und sie ist am Ende der Reiteinheit auch noch zufriedener.

Fordere ich sie nicht oder würde ich Protest (im Rahmen) gleich böse ersticken, dann kämen wir nicht weiter.

Ich denke gerade, vielleicht gibt es auch einen Unterschied zwischen Protest und Gegenwehr, da denke ich noch mal drüber nach, wie das gemeint sein kann.



LG Ulrike
Motte
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Beitrag von Motte »

Im Grunde ist auch jedes touchieren mit der Pitsch bei der Bodenarbeit ein Druck-Aufbauen.
Das kann ich jetzt noch so liebevoll meinen - es ist eine Verstärkung: bitte mach jetzt dies oder jenes.
sinsa
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Beitrag von sinsa »

Ich finde die Diskussion insgesamt ein ganz klitze-kleines bißchen *hüstel* schwierig :lol:

Was mir nicht einleuchtet ist der Absolutheitsanspruch. Keine Grautöne mehr da/möglich oder denkbar - und das wiederum erschließt sich mir nicht.
Ich finde ganz ehrlich: die alles wird geclickert und positiv verstärkt Menschen genauso ätzend, wie die Haudrauf Stech und Zieh-Fraktion.
Die beiden Extreme schenken sich nichts. Beide zeichnen sich dadurch aus, das sie nicht zu einer vernünftigen "Sprache" mit ihrem Pferd finden, um "Kommunikation" miteinander zu ermöglichen.

Was sich mir außerdem nicht erschließt, ist, warum man wenn man bestimmte Dinge reitet automatisch nicht mehr pferdefreundlich sein kann.
Da fehlt mir der Zusammenhang. Wenn Piaffe/Galopppirouette/whatever dann kann es nicht mehr freundlich sein? Jedenfalls dann nicht, wenn es nicht erclickert ist und somit gewisse "Ansprüche" an die Lektion gestellt werden?
Ja, warum denn bitte nicht? Wo genau ist da das Problem?
charona
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Beitrag von charona »

hier noch ein interessanter Artikel zum Thema, verfasst von der bereits eher genannten Babette Teschen http://www.wege-zum-pferd.de/2012/06/19 ... ber-alles/
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marquisa
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Beitrag von marquisa »

Ich finde es selbstverständlich,dass man in sein Pferd reinhört und abcheckt,welche Trainingsart oder welches Programm für mein Pferd an dem jeweiligen Tag am förderlichsten ist.
Frau Teschen sagt im Prinzip nichts anderes,jeder verantwortungsvolle Trainer geht so vor,nur dem einen liegt diese blumige Umschreibung und dem anderen eben nicht.

"Lieb,lieb" ist auch ein Auslegungssache.
Ich finde mich immer "lieb,lieb" im Umgang mit meinen Pferden,sehe mich aber nicht in der Porsition,sie dauerbespaßen zu müssen.
Nein,ein bisserl was können sie auch für mich tun,"nur" Pferd sein,die Wiese kurz halten und nett aus der Wäsche schauen reicht mir nicht.
Vorausgesetzt,sie sind gesund und mental gut drauf.

Auf der anderen Seite finde ich es gut und wichtig,die breite Masse für den Umgang mit ihrem Pferd zu sensiblisieren,sie an die Hand zu nehmen und ihnen Wege zu ihrem Pferd zu zeigen.

Sich Ziele zu stecken strukturiert das miteinander,nur müssen diese Ziele derart gesteckt werden,dass sie von Pferd und Reiter kleinschrittig bewältigt werden können.
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

marquisa hat geschrieben: Sich Ziele zu stecken strukturiert das miteinander,nur müssen diese Ziele derart gesteckt werden,dass sie von Pferd und Reiter kleinschrittig bewältigt werden können.
...und wenn diese Schritte klein genug geblieben sind, dann schenken sie einem plötzlich so viel, das fast die Tränen kommen.

sinsa,

aus meinem heutigen Erleben kann ich Dir sagen, das es genau so ist, ich kann sehr pferdefreundlich über die Jahre mit meinem Tier arbeiten, es fördern und fordern, ohne grob zu sein und aus dem Sattel heraus pferdefreundlich meine Ansprüche stellen.

Ich muss nicht drauf dremmeln sondern einfach den Weg weitergehen, dann wird das plötzlich so schön, da steigt man nur noch ab und hat dem Pferd seinen Schmelz über die Jahre erhalten können UND TROTZDEM eine z.B. Passage erritten.



LG Ulrike
charona
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Beitrag von charona »

nun ja, von der Passage sind wir noch weit entfernt, aber auch meine Erfahrung deckt sich mit dieser Aussage
und wenn diese Schritte klein genug geblieben sind, dann schenken sie einem plötzlich so viel, das fast die Tränen kommen
diese Vorgehensweise ist meiner Meinung nach allerdings zumeist nur dann möglich, wenn man keinen Zeitdruck hat. Und ich gebe zu, dass ich mir in den letzten Jahren bei der Arbeit mit meiner Stute des öfteren die Frage gestellt habe, wie wir uns denn wohl entwicklet hätten, wenn sie einfach mal ordentlich was auf den Poppes gekriegt hätte. Keine Ahnung, heute ist sie hochmotiviert bei der Arbeit, ist schön durchlässig, und wenn was nicht klappt, ist es meist ein Fehler der Bedieneinheit, Hilfengebung, mangelnde Vorbereitung oder das Pferd kann es eben noch nicht.

Und Marquisa
ich finde es selbstverständlich,dass man in sein Pferd reinhört und abcheckt,welche Trainingsart oder welches Programm für mein Pferd an dem jeweiligen Tag am förderlichsten ist.
Frau Teschen sagt im Prinzip nichts anderes,jeder verantwortungsvolle Trainer geht so vor,nur dem einen liegt diese blumige Umschreibung und dem anderen eben nicht.
hier kann ich nur unterschreiben.
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

:lol:

das stimmt, charona,

Zeitdruck habe ich nicht, aber, ob es 8 oder 9 oder 10 Jahre dauert, bis es was wird, ist eigentlich egal, selbst als Turnierreiter kann ich bis dahin viele schöne Prüfungen abgelegt haben.


LG
Ulrike
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Spielnase
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Beitrag von Spielnase »

Uiiiii, was für eine spannende Diskussion!!! Macht sehr viel Spaß hier mitzulesen :D

Phanja, bitte ziehe dich nicht zurück, ich mag deine Beiträge besonders gerne lesen und finde auch, dass du sehr gut sachlich deinen Standpunkt vertrittst. Bitte bleib doch!

Weil es grade so gut ins Thema passt und ich auch glaube, dass einige Leute noch kein richtiges Bild vom korrekten Clickern haben, stelle ich mal 2 Links rein von einer wie es scheint ganz seriösen und disziplinierten Clicker-Trainerin, die einen jungen Hengst ausbildet.
http://www.youtube.com/watch?v=udQbqLwg4lg
http://www.youtube.com/watch?v=8KHufRX2pi8

Ich arbeite auch mit positiver Verstärkung, aber ohne Knallfrosch :wink:
und mag an dem "System" besonders gerne, dass der ganze Fokus in der Ausbildung auf das Positive gelenkt wird. Anders als in der traditionellen Pleasure-and-Release Methode: Hier wird eher auf die auftretenden "Fehler" eingegangen und man korrigiert diese ständig, was ganz schnell auf beiden Seiten zu Frust führt.

Zugegeben: So diszipliniert wie in den Videos arbeiten wir noch lange nicht, aber so könnte es (irgendwann mal) aussehen :D
Motte
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Beitrag von Motte »

Hmmpf.
Man kann mich jetzt totschlagen - ich kann dem nix abgewinnen.
Zum einen kräuseln sich mir die Zehennägel hoch, wenn jemand barfuss mit Schlappen an einem Pferd arbeitet, und gleichzeitig betont: "Sicherheit steht an erster Stelle" - sorry, das kann ich einfach nicht unter einen Hut bringen und ernst nehmen. (1. Film)
Zudem wirkt das Pferd auf mich ständig auf der Suche nach dem nächsten Leckerchen. Zappelig. Gerade am Anfang des ersten Videos verstehe ich nicht, was die da klickert. Soll das Pferd stehen bleiben oder rückwärts treten? Ich finde da das Timing ziemlich merkwürdig und verstehe es nicht.
Mir fehlt da einfach die Ruhe.

Das ist bestimmt ne nette Art, ein Pferd zu beschäftigen. Aber meins ist es definitiv nicht.
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Spielnase
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Beitrag von Spielnase »

Ach und weil jemand geschrieben hatte, dass es spätestens bei der Konstellation rossige Stute und Hengst mit "lieb,lieb" ein Ende haben muss:

https://www.youtube.com/watch?v=CYyaI68 ... wksSwhm0aQ

Alles wohl eine Frage der Erziehung, oder? :shock:
Wow.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Spielnase hat geschrieben:Uiiiii, was für eine spannende Diskussion!!! Macht sehr viel Spaß hier mitzulesen :D

Phanja, bitte ziehe dich nicht zurück, ich mag deine Beiträge besonders gerne lesen und finde auch, dass du sehr gut sachlich deinen Standpunkt vertrittst. Bitte bleib doch!

Weil es grade so gut ins Thema passt und ich auch glaube, dass einige Leute noch kein richtiges Bild vom korrekten Clickern haben, stelle ich mal 2 Links rein von einer wie es scheint ganz seriösen und disziplinierten Clicker-Trainerin, die einen jungen Hengst ausbildet.
http://www.youtube.com/watch?v=udQbqLwg4lg
http://www.youtube.com/watch?v=8KHufRX2pi8

Ich arbeite auch mit positiver Verstärkung, aber ohne Knallfrosch :wink:
und mag an dem "System" besonders gerne, dass der ganze Fokus in der Ausbildung auf das Positive gelenkt wird. Anders als in der traditionellen Pleasure-and-Release Methode: Hier wird eher auf die auftretenden "Fehler" eingegangen und man korrigiert diese ständig, was ganz schnell auf beiden Seiten zu Frust führt.

Zugegeben: So diszipliniert wie in den Videos arbeiten wir noch lange nicht, aber so könnte es (irgendwann mal) aussehen :D
Ich muss gestehen, dass ich das wirklich unschön finde. Ein zweijähriger Junghengst gehört für mich in eine Herde von Junghengsten und bis auf die absoluten Grundbegriffe nicht "bearbeitet". Clickern ist - auch in so einer Form- ehrlich gesagt auch etwas, was ich ablehne, ausser für sehr eingegrenzte Anwendungsbereiche.
Nein, das ist für mich Jungpferdeausbildungshorror.
So würde ich es wirklich ablehnen.
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