Schwung

Rund um die klassische Reitkunst

Moderatoren: Julia, ninischi, Janina

Benutzeravatar
lancia
User
Beiträge: 1396
Registriert: Mo, 04. Aug 2008 16:52
Wohnort: Haßfurt

Beitrag von lancia »

Gute Zitate Sabine :)

Das zeigt mal wieder, dass ich Seunig noch nicht verstanden habe :? Steht hier auch im Schrank, ist mir eindeutig noch zu hoch...

Aber er beschreibt es schön :)
"...aber dem edlen Pferd, das du reiten willst, mußt du seine Gedanken ablernen, du darfst nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen." Goethe
lalala

Beitrag von lalala »

Weiter vorne wurde ein Zusammenhang mit der Schwebephase erwähnt. Nun ist die Schwebephase abhängig vom Tempo, d.h. im Renntrab am längsten, im versammelten Tab kurz, in der Passage sehr kurz, in der Piaffe praktisch inexistent (nach Untersuchungen von Nancy Nicholson, Biomechanical Riding S. 4-98 ). Bedeutet das, dass es in der Piaffe keinen Schwung gibt? Was die Frequenz angeht (Schritte pro Minute), ist die Piaffe näher beim Schritt als beim Trab.
Seit wann ist die Schwebephase in der Passage kurz ? Eine korrekte Piaffe nicht schwungvoll - wie sollte das gehen ?

Und in welcher Situation geht das Pferd auf der Weide mit Schwung im Sinne der der Ausbildungsskala ?

@ lancia: hinter der kurzen "technischen" Definition steckt aber jede Menge und sie sagt nix anderes als z.B. Seunig :wink:

Schwung im Sinne der Ausbildungsskala ist etwas durch reiterliche Einwirkung (Gymnastizierung) herbeigeführtes.
Benutzeravatar
lancia
User
Beiträge: 1396
Registriert: Mo, 04. Aug 2008 16:52
Wohnort: Haßfurt

Beitrag von lancia »

Nach der Definition von Seunig könnte ja auch der Schritt schwungvoll sein. Er bezieht sich nicht nur auf die Schwebephase.

Gawan meinte damit (so denke ich mir), dass ein Pferd in der Piaffe nicht von einem auf das andere Bein "springt" sondern, dass es ein Bein aufsetzt und dann das andere anhebt. So hat man es angeblich auf Videos in slow motion erkannt. Ergo hätte die Piaffe keine Schwebephase und somit keinen Schwung?!
"...aber dem edlen Pferd, das du reiten willst, mußt du seine Gedanken ablernen, du darfst nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen." Goethe
**Rubin**
User
Beiträge: 76
Registriert: So, 14. Dez 2008 22:52
Wohnort: Lüneburg

Beitrag von **Rubin** »

Aber die, die Schwung mit "Impulsion" übersetzen, sind doch oft der Meinung, dass auch die Piaffe schwungvoll sein muss. hat Schwung nicht vor allem etwas mit der "Federkraft" und den Hinterbeinen und dem Rücken zu tun?

Ich finde grad etwas in PK's Irrwegen:
(...) Pferd 1 hat von Natur aus einen Trab von hoher Qualität, den es ebenso beim Freilaufen ohne Reiter zeigen würde. Seine Ausbildung jedoch hat keine Zukunft, und das Erreichen der Versammlung ist ausgeschlossen, solange es nicht eine ernsthafte Schule der Schenkelhilfen durchläuft
Dieses Pferd wurde vorher in spektakulärem Mitteltrab beschrieben, allerdings nur unter deutlicher Schenkeleinwirkung des Reiters.
Pferd 2 ist exzellent ausgebildet, es ist leicht am Bein. Selbst wenn die Natur es nicht mit einem ausdrucksvollen Trab gesegnet hat, wird der Reiter mithilfe einer solchen Impulsion die Gangarten über die Versammlung stilisieren und schließlich schwungvolle Bewegungen hervorbringen können (...)

Füt denjenigen, der sich mit der Dressur beschäftigt, ist also die Impulsion der für die Ausbildung des Pferdes entscheidende Faktor. (...)
Er hat dafür auch eine Formel formuliert:

Antwort des Pferdes
----------------------- = Impulsion
Anfrage des Reiters

Allerdings finde ich persönlich nicht, dass das wirklich nur "Schenkelgehorsam" ist, sondern eben wie oben bei den unterschiedlichen Pferden beschrieben eine Bewegungsqualität, die aus der Schulung des Pferdes entsteht. Das Pferd benötigt bestimmte Muskeln und Gleichgewicht...
knowi
User
Beiträge: 629
Registriert: So, 24. Sep 2006 16:36
Wohnort: BaWü

Beitrag von knowi »

lalala hat geschrieben: Ein passagierendes Pferd auf der Weide steht unter Spannung und zwar nicht unter der positiven Grundspannung die man beim Reiten anstrebt. Es tritt dabei oft nach hinten raus, hält den Rücken fest und von Losgelassenheit ist nichts zu entdecken.
Guckt man sich eindrucksvolle Passagen an, gibt es viele die hinten raus treten und die Stützbasis vergrößern.
Schubkraft entwickeln bedeutet ja eigentlich nur, dass die HH zu vermehrter Aktivität angeregt wird und so weiter in Richtung unter den Schwerpunkt tritt.
Und das was vermehrt in Richtung Schwerpunkt getreten wird, wird gleichzeitig auch mehr hinten rausgeschoben. Sonst bliebe ja die Parallelität der diagnolen Beinpaare nicht erhalten.


Schwung und Bewegungsqualität finde ich immer sehr schwierig - sowieso ein spannendes Thema, weil ich nie richtig verstanden habe wie Schwung tatsächlich definiert wird. Häufig höre ich Schwung nach wie vor im Zusammenhang mit spektakulären Trabtouren. Um den Trab meines Wald- und Wiesenpferdes so zu verbessern, dass er solchen Touren auch nur annähernd ähnelt, muss unser Weg "erstmal" über die Passage führen. So lange spreche ich also lieber von Impulsion - ist Schwung wirklich das, mit was die meisten Schwung assoziieren, sind wir davon noch weit entfernt ;)
Zuletzt geändert von knowi am So, 11. Jan 2009 17:12, insgesamt 1-mal geändert.
Jedes Werden in der Natur, im Menschen, in der Liebe muss abwarten, geduldig sein, bis seine Zeit zum Blühen kommt.
Dietrich Bonhoeffer
Benutzeravatar
lancia
User
Beiträge: 1396
Registriert: Mo, 04. Aug 2008 16:52
Wohnort: Haßfurt

Beitrag von lancia »

Ich habe hier mal zwei Fotos aus dem Buch von Horst Becker.

In meinen Augen zeigt das erste sowas wie die positive Spannung. Ein Pferd das über den Rücken geht und schwungvoll geht.

Das zweite ist das typische spannige Traben auf der Weide.

Liege ich richtig?

Bild

Bild

Die Bilder sind in dem Buch direkt untereinander...
"...aber dem edlen Pferd, das du reiten willst, mußt du seine Gedanken ablernen, du darfst nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen." Goethe
Benutzeravatar
Gawan
User
Beiträge: 418
Registriert: Do, 27. Mär 2008 22:03
Wohnort: Basel

Beitrag von Gawan »

lalala schrieb:
Seit wann ist die Schwebephase in der Passage kurz?
Seit es die Schwerkraft gibt :-) . Bei der angeblich langen Schwebephase in der Passage handelt es sich um eine optische Täuschung, das Pferd sieht aus, als ob es schwebe, weil es die Beine höher hebt als im normalen Trab. Dass es sich nicht um ein echtes Schweben handelt, kann jeder merken, der versucht, beim Hüpfen seine Oberschenkel in die Waagrechte zu bringen. Lange Schwebephasen in Vorwärtsbewegung sind nur mit viel Anlauf bzw. bei hohem Tempo möglich, soll möglichst keine Vorwärtsbewegung stattfinden, braucht es eine Bewegung nach oben, wie bei einem Floh, der in die Luft springt, beim Pferd wäre das dann z.B. das Springen einer Kapriole.

lancia schrieb:
Gawan meinte damit (so denke ich mir), dass ein Pferd in der Piaffe nicht von einem auf das andere Bein "springt" sondern, dass es ein Bein aufsetzt und dann das andere anhebt. So hat man es angeblich auf Videos in slow motion erkannt.
Ja, genau das meinte ich.

Für diejenigen, die es interessiert, hier noch die Zahlen für den Trab aus dem Buch von Nicholson (nach Messungen von H.M. Clayton):

Geschwindigkeit in Metern pro Sekunde, Frequenz in Schritten pro Minute, Schwebephase in Millisekunden.

Tabelle: -------------- versammelt -------- mittel -------- stark -------- Passage -------- Piaffe
Geschwindigkeit --------- 3.2-3.3 --------- 4.47 ---------- 4.93 ------------ 1.6 ---------- 0.2
Frequenz ---------------------- 77 ------------ 82 ------------- 83 ------------ 55 ----------- 55
Schwebephase ---------------- 16 ----------- 32 ------------- 37 ------------- 8 ------------- 0

Die Frequenz im Schritt beträgt zwischen 51 und 56 Schritte pro Minute.

Tanja Xezal
"Der Reitlehrer sei unser eigenes Pferd" SGS
(und der Schüler zeige Geduld, Demut und Hingabe)
Draussen bin ich 4:0 unterwegs, in der Halle 3:1, manchmal 1:3.
Carmen
User
Beiträge: 877
Registriert: Mi, 03. Okt 2007 19:04
Wohnort: OHV
Kontaktdaten:

Beitrag von Carmen »

lalala hat geschrieben:Schwung im Sinne der Ausbildungsskala ist etwas durch reiterliche Einwirkung (Gymnastizierung) herbeigeführtes.
Aber es geht hier um "Schwung" und nicht nur um "Schwung im Sinne der Ausbildungsskala". Es gibt nämlich Menschen, die sich nicht mit der Ausbildungsskala identifizieren können. Ich zumindest kann es nicht.
"Es gibt schon viel zu viele Pferde, die Gefangene sind. Wenn wir unser Pferd lieben, müssen wir [...] ihm so viel wie möglich von seiner Freiheit zurückgeben." Sylvia Loch
Miri
User
Beiträge: 153
Registriert: Sa, 01. Dez 2007 16:59
Wohnort: das Auenland

Beitrag von Miri »

Hmm...auf einem Heuschmannseminar sagte Dr.Heuschmann, dass die "Klassiker" alle schwunglos gehen würden, weil ja keine Schwebephase im Trab zu sehen sei.
Aber Schwung an der Schwebephase auszumachen??

Wenn ich an Schwung denke sehe ich ein Pferd mit energisch vorschwingenden Hinterbeinen.
Benutzeravatar
Cat_85
User
Beiträge: 402
Registriert: Sa, 22. Mär 2008 22:29
Wohnort: Magdeburg

Beitrag von Cat_85 »

Bitte beachte den Unterschied Gang und Schwung. Schwung ist das Ergebnis reiterlicher Arbeit . Ein durchgymnastiziertes Pferd wird sich unterm Reiter anders präsentieren als auf der Weide, einfach weil es der Reiter formt.
Aber ein Pferd, was mit Reiter/Bodenarbeiter gearbeitet wird, verändert seinen Gang auch im Freilauf. Und dann sieht man freilaufende Pferde ohne Reiter, die sehr schön mit Schwung gehen können. Und ich denke, das ist auch im Sinne des Pferdes. Es hat dadurch mehr Ausstrahlung und kommt bei anderen Pferden "selbstbewusster" rüber.
Als der Hengst meines ehemaligen RL dann gearbeitet wurde, wurden seine Angebereien auf der Koppel auch immer schöner. :D

kurz OT: Ich finde die Diskussionen hier grad alle sehr spannend und lehrreich. Vielen Dank.
lalala

Beitrag von lalala »

@ cat:
Aber ein Pferd, was mit Reiter/Bodenarbeiter gearbeitet wird, verändert seinen Gang auch im Freilauf.
richtig, aber das Pferd wird ja auch gearbeitet...ohne die Einwirkung des Reiters würde es sich nicht so selber gymnastizieren :wink:

@ carmen: bist du dir da so sicher ? Die Vorgängerthreads befassen sich schließlich auch mit den Punkten der Ausbildungsskala. Aber vielleicht habe ich einfach zu weit gedacht...
Wenn ich an Schwung denke sehe ich ein Pferd mit energisch vorschwingenden Hinterbeinen.
Naturgegeben wäre das dann wieder "Gang", aus ausbildungstechnischer Sicht ist ein gutes Hinterbein ohne offenen Rücken nicht viel wert (womit wir wieder bei dem "Schwung" der Ausbildungsskala wären, der viel mehr beinhaltet)
Benutzeravatar
dshengis
Moderator
Beiträge: 2330
Registriert: So, 24. Sep 2006 21:02
Wohnort: OHV

Beitrag von dshengis »

lalala hat geschrieben: @ carmen: bist du dir da so sicher ? Die Vorgängerthreads befassen sich schließlich auch mit den Punkten der Ausbildungsskala. Aber vielleicht habe ich einfach zu weit gedacht...
Naja, das würde ich nicht so eng sehen. Natürlich tauchen diese Punkte in der SdA auf, aber sie existieren für mein Empfinden auch außerhalb davon ;)

Mit der Definitin von "Schwung" tu ich mich auch schwer - ihn einzig und allein an der Schwebephase festzumachen scheint mir aber zu kurz gegriffen :?
„Hast Du nie auf einem Schimmel gesessen, hast Du nie ein gutes Pferd geritten.“ - Altpolnisches Sprichwort
Benutzeravatar
Medusa888
User
Beiträge: 4640
Registriert: Fr, 03. Okt 2008 15:42
Wohnort: Bremen

Beitrag von Medusa888 »

Hier - sinngemäß - die Definition von Schwung von Udo Bürger, Vollendete Reitkunst:

Zwischen Eilen und Verhalten liegt der Schwung.

Er beschreibt auch wunderbar und anschaulich wie man zum Schwung gelangt. Habe das Buch leider nicht zur Hand, sonst würde ich gerne mehr dazu zitieren.
Rapunzel
User
Beiträge: 2337
Registriert: Mo, 09. Okt 2006 14:22

Beitrag von Rapunzel »

natürlich kann man schwung nicht nur an der schwebephase festmachen, sondern die schwebephase entsteht erst durch schwung. das bild von carnacat/tascha mit dem schwungvoll gehenden pferd, das den boden zum abdrücken benutzt und nicht zum drauftreten beschreibt das ganze schon wirklich sehr umfassend, man kann es richtig "fühlen".
Benutzeravatar
Jen
User
Beiträge: 3007
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 08:12
Wohnort: CH
Kontaktdaten:

Beitrag von Jen »

Es ist in der Tat gar nicht so einfach, ganz präzise zu definieren, was Schwung eigentlich ist.

Die Schwebephase ist m.E. auch ein ganz schlechtes kriterium auch wenn dies in der Literatur und von vielen Ausbildern zitiert wird. Es ist höchstens eine Konsequenz in bestimmten Gangarten, dass die Schwebephase mitverändert wird. Diese Veränderung ist jedoch so klein, dass sie vernachlässigt werden kann.

Man beachte: Schwebephase kommt von Schweben, sprich, das ist der Moment, wo KEIN BEIN auf dem Boden ist. Je versammelter eine Gangart, desto kürzer die Schwebephase. Ist deshalb ein guter versammelter Trab schwungloser als ein verstärkter Trab, weil bei zweiterem die Schwebephase länger ist? nein. Sind Schwebetritte schwungvoller, weil die Schwebephase länger dauert als ein korrekter versammelter Trab? Nein. Die Dauer der Schwebephase ist also ein trügerisches Zeichen. Besonders weil sehr oft nicht die Schwebephase an sich beurteilt wird, sondern die Hangbeinphase. also im Trab wäre das die Phase wo das eine diagonale Bein am Boden ist, während das andere diagonale Beinpaar im Begriff des Vorschwingens ist. Das ist NICHT die Schwebephase. Deshalb hat die Passage auch keine verlängerte Schwebephase, diese ist nämlich sogar äusserst kurz. Die Hangbeinphase jedoch wird etwas verlängert. Diese wird aber auch bei schwebetritten verlängert, deshalb als alleiniges Kriterium auch nicht so geeignet. Piaffe hat übrigens, wie diverse Studien (zb. von Dr. Hilary Clayton) gezeigt haben, GAR KEINE Schwebephase. Sie kann trotzdem Schwungvoll sein. Wie geht das also?

Schwung zeichnet sich m.E. dadurch aus, dass die Kraft der Hinterhand möglichst verlustfrei über den Rücken nach vorne getragen wird, die Vorhand dadurch freier wird und das Pferd sich selber trägt. Diese störungsfreie übertragung ist für mich Schwung. Das ist nämlich wie ein Kreislauf, der von hinten nach vorne in das Gebiss und damit an die Hand und in den Sitz und dadurch wieder auf die Hinterhand übertragen wird. Dieser Kreislauf, das ist für mich Schwung. je mehr Schwung es hat, desto leichter wird alles. Und dies ist auch in der Gangart Schritt und in der Piaffe und überhaupt in allen klassischen Lektionen möglich. Deshalb gibt es für mich auch keine "schwunglosen" Gangarten. Sondern nur schwebefreie Gangarten: wie Schritt, Tölt und was es alles noch so für spezialgangarten gibt.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
Antworten